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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
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Technologien zur Verfügung standen, inwieweit sie unseren Aktionsradius erweiterten und was sie für unsere langfristige Orientierung bedeuteten.
    Im Durchgang zur Brücke trafen wir Lambert. Sie deutete einen Gruß an und schnitt dabei ein schiefes Gesicht, das wohl ironisch wirken und ihrer Skepsis angesichts des bevorstehenden Experimentes Ausdruck verleihen sollte.
    Wir betraten die Brücke und begrüßten die dort vollständig versammelte Führung. Reynolds warf uns nur einen kurzen Blick zu und widmete sich dann wieder seinen Instrumenten. Ich hatte ihn selten so angespannt gesehen. Für gewöhnlich war er die Ruhe in Person, und unter Stress wurde er normalerweise immer noch langsamer und behäbiger.
    Die gesamte Besatzung der MARQUIS DE LAPLACE fieberte der Meldung vom geglückten Durchbruch entgegen, und vor allem Commodore Wiszewsky konnten seine Ungehaltenheit über die andauernden Verzögerungen kaum noch verbergen. Rogers, der von der technischen Seite der Materie mehr verstand, hielt sich auffallend zurück. Er hatte Frankel und Reynolds freie Hand gegeben. Der gesamte Stab der Wissenschaftlichen Abteilungen stand ihnen zur Verfügung und arbeitete ihnen zu, und dennoch reihten sie seit Monaten einen Misserfolg an den nächsten.
    Die Komarowa hatte kokett mit ihren schweren Lidern geklimpert, während Wiszewsky, an dessen rechter Seite sie hing, uns mit einem huldvollen Kopfnicken empfing. Dann wandte die allgemeine Aufmerksamkeit sich den beiden leitenden Wissenschaftlern zu.
    »Meine Herren ...?«, brummte Rogers mit fragendem Unterton.
    Reynolds nickte eifrig, ohne von seinen Berechnungen aufzusehen. Dr. Frankel, der als einziger keine Uniform, sondern den weißen Laborkittel trug, studierte die Anzeigen seines tragbaren MasterBoards.
    »Keine neunzig Sekunden mehr«, sagte er, »und wir wissen, ob unsere Annahmen sich diesmal als richtig erweisen.«
    Das sollte ironisch klingen, aber die Annahmen hatten sich in jüngster Zeit schon so oft als fehlerhaft herausgestellt, dass die selbstherrliche Ankündigung ins Leere ging. Niemand verzog eine Miene.
    Jennifer gesellte sich zu den Wissenschaftlern, die wir ihren Instrumenten überließen, während wir übrigen uns zur großen Panoramafront begaben. Der leere Kosmos lag vor uns, in einer Leere, die nie zuvor eines Menschen Herz bedroht hatte. Die Große Mauer lag hier in unserem Rücken. Das tiefe Gähnen des extragalaktischen Raumes öffnete sich vor uns. Eine Schwärze, wie sie im Inneren der Milchstraße nirgends anzutreffen ist, verhüllte weite Bereiche der Aussicht. Wir starrten ins blinde Nichts. In einiger Entfernung trieben die Galaxien der Lokalen Gruppe durch die uferlose Nacht. Andromeda flackerte wie eine Kerzenflamme, die man durch ein milchiges Glas betrachtet, gleich daneben drehte sich die Milchstraße, wobei ihre Bewegung so gemächlich war, dass man einige Millionen Menschenleben hätte ausharren müssen, um die Vollendung eines Umlaufs zu erleben.
    Die Milchstraße von außen zu sehen, das war bis vor einigen Monaten ein Traum, den kein Mensch ernsthaft unter seiner Schädeldecke ausbrüten konnte. Die weiträumigsten Bewegungen, die die MARQUIS DE LAPLACE als größtes und schnellstes Schiff der Union ausgeführt hatte, waren auf die solare Region beschränkt gewesen. Sie führten zum nächsten und übernächsten Nachbarstern und beschrieben einen Radius, der jetzt mit bloßen Auge nicht mehr innerhalb der gläsern schimmernden Spiralarme auszumachen war. Jetzt sahen wir die ganze Struktur von außen, deren Durchquerung das Licht mehr Zeit kostete, als der Aufstieg vom Neandertaler zum Homo Astralis gedauert hatte.
    »Zehn Sekunden«, verkündete Frankel.
    Dann zählte er den Countdown. Als er bei Null angekommen war, geschah überhaupt nichts. Schmerzhafte Stille wuchs auf der Brücke, während irgendwo ein paar Instrumente klickten und das Brummen der Feldgeneratoren, das man für gewöhnlich nicht wahrnahm, hörbar wurde. Wir starrten in den Abgrund von Leere. Ein Lichtsignal hätte vor dem Auftreten der ersten Hominiden ausgesandt werden müssen, um uns hier und heute zu erreichen, und wenn wir jetzt einen Funkspruch losschickten, würde er auf eine Erde treffen, auf der die Kontinente nicht mehr die uns bekannte Form und Lage hätten.
    Noch hielten alle den Atem an. Nicht einmal ein Fluch oder Stöhnen der Enttäuschung wurde laut. Die Zeit schien dadurch still zu stehen. Aber tatsächlich eilte sie weiter und vernichtete
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