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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt
Autoren: Jürgen Kehrer
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Fahlen das Wort ab. «Zuerst kommen die an die Reihe, die pünktlich waren.»
    Arschloch, dachte Bastian. Kontrollfreaks wie Fahlen würden nie begreifen, dass man mit Disziplin zwar eine Horde Menschen herumscheuchen, aber keinen Fall lösen konnte. Dazu brauchte es nämlich einen Schuss Kreativität. Und falls Fahlen das Wort überhaupt kannte, hielt er es vermutlich für die Vorstufe einer psychischen Störung.
    «Ich bin auch schon fast am Ende», sagte der OK -Spezialist. «Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Privatbank die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, weitgehend unbeschadet überstanden hat. Seiner konservativen Klientel entsprechend, hat sich Mergentheim aus riskanten Spekulationen herausgehalten und in sichere Anlagen investiert. Beton und Gold, um das mal in Schlagworten zu formulieren. Vor dem Ruin stand er jedenfalls nicht.»
    «Hat heutzutage nicht jede Bank ein paar Leichen im Keller?», warf Staatsanwalt Neumann ein.
    Willschrei nickte. «Keine Frage. Aber um die zu finden, müssten wir etliche Wochen, wenn nicht Monate graben. Und sie werden nicht so stinken wie die der Großbanken, denen der Staat Milliarden in den Arsch bläst.»
    Kriminalrat Biesinger stoppte die einsetzende Heiterkeit mit einem trockenen Räuspern.
    «Na schön», sagte Fahlen. «Kommen wir zur Familie.»
    Auch hier waren die Ermittler, die mit Mergentheims Exfrau, seinem Sohn und den engsten Mitarbeitern in der Bank gesprochen hatten, auf nichts Dramatisches gestoßen. Einen Rosenkrieg hatte es bei der Scheidung anscheinend nicht gegeben, Gerlinde Mergentheim behauptete, dass man sich im Guten getrennt und bis in die jüngste Zeit ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt habe, eine Aussage, die von dem gemeinsamen und einzigen Sohn Veit Constantin bestätigt wurde.
    «Irgendeinen Grund für die Scheidung wird es doch wohl gegeben haben», warf Fahlen ein. «Oder haben sie angefangen sich zu gruseln, wenn sie sich morgens im Badezimmer begegnet sind?»
    «Sie hatten getrennte Schlaf- und Badezimmer», sagte die Oberkommissarin aus dem Morddezernat mit den kurzen platinblonden Haaren, die die Ergebnisse der Ermittlergruppe vortrug. «Und ja, es gab einen Grund: Mergentheim hatte eine Affäre mit seiner damaligen Sekretärin, nicht die erste Affäre und nicht die erste Sekretärin, wenn man seiner Exfrau glauben will.»
    «Na also.» Fahlen schnappte nach der Information wie ein englischer Jagdhund nach einem Fuchs. «Da haben wir es doch. Was ist mit der Sekretärin?»
    «Arbeitet inzwischen bei einer anderen Bank und in einer besseren Position. Mergentheim hat die Beziehung etwa zeitgleich mit seiner Ehe beendet. Das sagen jedenfalls Veit Constantin und Mitarbeiter der Bank, die das mitbekommen haben.»
    «Kommt schon: Er wird eine Neue gehabt haben. Und es würde mich nicht wundern, wenn es seine aktuelle Sekretärin ist.»
    Die Oberkommissarin schüttelte den Kopf. «Kein Treffer. Die derzeitige Sekretärin entspricht nicht seinem Beuteschema. Über Mergentheims Sexleben seit der Scheidung ist nichts bekannt.»
    «Dann war er eben ein einsamer, alter, des Lebens überdrüssiger Mann», sinnierte Fahlen.
    «Entschuldigung.» Oberstaatsanwalt Willenhagen zwirbelte seinen Schnurrbart. «Mit sechsundfünfzig ist man noch kein alter Mann, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Im Gegenteil. Ein attraktiver Mann wie Mergentheim – und ich meine attraktiv in jeglicher Hinsicht – zieht sich nicht einfach aus dem Leben zurück, so einen Quatsch kann ich der Presse nicht verkaufen. Also lassen Sie sich gefälligst etwas Besseres einfallen.»
    «Wir haben noch den Abschiedsbrief», zog KK - 11 -Chef Brunkbäumer den Joker.
    «Stammt der überhaupt zweifelsfrei von Mergentheim?», grollte Willenhagen mit seiner Dröhnstimme. Fahlen hatte ihn eindeutig auf dem falschen Fuß erwischt.
    «Zu neunundneunzig Prozent», bestätigte Olaf Gerhard, der Leiter des KK 31 , das für den Erkennungsdienst und die Kriminaltechnische Untersuchung zuständig war, «unser Handschriftenexperte legt sich da fest.»
    «Allerdings enthält der Brief keine Hinweise auf den Suizid», sagte Staatsanwalt Neumann. «Mergentheim drückt vage sein Bedauern aus, wofür auch immer.»
    «Das ist nicht untypisch für Selbstmörder», antwortete Brunkbäumer. «Statt die Tat und die Gründe genau zu beschreiben, flüchten sie ins Philosophische.»
    Neumann guckte genervt. Auch Willenhagen schien allmählich die
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