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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt
Autoren: Jürgen Kehrer
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ab und zu, was sie gerade machten. Und Bastian hatte Mühe, nicht ständig auf den schmalen Augenstreifen zu starren, der zwischen Anas Mund- und Haarschutz sichtbar war. Wobei sie ihn regelmäßig dabei ertappte, dass er es doch tat.
    «Also …» Der Blonde räusperte sich. «Vorbehaltlich der noch ausstehenden Ergebnisse der Labortests kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen …» Erneutes Räuspern. «Der Geschädigte befand sich vor seinem Tod in einer guten körperlichen Verfassung. Keine chronischen Krankheiten, die Funktionsfähigkeit der Organe scheint, unter Berücksichtigung des biologischen Alters, jeweils im optimalen Bereich zu liegen. Von daher lässt sich der Tod problemlos durch Erhängen erklären.»
    «Kampfspuren?», fragte Susanne Hagemeister.
    «Nein. Weder äußere noch innere Verletzungen. Typische Kampf- oder Abwehrspuren sind ja gewöhnlich an den Händen zu erkennen, hier haben wir lediglich Abdrücke des verwendeten Seils. Ebenso fehlen Griffspuren, wie sie bei der Mitwirkung einer zweiten Person häufig entstehen.»
    «Warte mal.» Yasi Ana schüttelte das Gefäß, in dem sich der Mageninhalt des Toten befand. Dann fischte sie mit einem pinzettenähnlichen Gerät ein kleines blaues Ding aus der schleimigen Masse.
    Bastian erkannte die charakteristische Rautenform: «Viagra.»
    «Richtig», sagte die Chinesin. Bastian war sich sicher, dass sie ihn anlächelte. «Der Geschädigte muss die Tablette kurz vor seinem Tod geschluckt haben. Wir sollten einen Abstrich am Penis machen.»
    |||||
    Später – Mergentheims Organe lagen mehr oder weniger an ihren ursprünglichen Plätzen, und der Körper war wieder zugenäht – saßen sie zu viert um einen kleinen Konferenztisch.
    «Ein Laborergebnis liegt uns schon vor.» Der Rechtsmediziner schaute auf einen Ausdruck, der vor ihm lag. «Der Blutalkoholgehalt betrug zum Zeitpunkt des Todes eins Komma eins neun Promille.»
    Das war ein gepflegter Rausch, aber noch kein Komasaufen. Bastian dachte an die leere Flasche Rotwein, die er in Mergentheims Küche gesehen hatte.
    «Könnte das seine Koordination erheblich beeinträchtigt haben?», fragte Susanne.
    «Sie meinen, ob er damit nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu töten?» Der Rechtsmediziner legte den Kopf schief. «Das ist nicht eindeutig zu beantworten, sondern hängt davon ab, wie oft und wie viel er getrunken hat. Regelmäßige Trinker leiden bei eins Komma zwei Promille kaum unter Beeinträchtigungen, Ausnahmetrinker dagegen schon.»
    «Falls er also pro Woche ein paar Flaschen Rotwein geköpft hat …»
    Der Blonde nickte.
    «Das Einzige, was nicht ins Bild des einsamen Selbstmörders passt», ergriff nun Yasi Ana das Wort, «ist die Tatsache, dass er sein Stehvermögen verbessern wollte.» Sie hielt ein kleines Plastiktütchen mit der Viagra-Tablette hoch.
    «Und? Hatte er Sex?», fragte Bastian.
    «Möglicherweise. Jedenfalls hat der Abstrich am Penis ergeben, dass er ein Kondom getragen hat. Meine Kenntnisse des europäischen Sexualverhaltens sind nicht tiefgründig genug, um Selbstbefriedigung gänzlich auszuschließen.»
    Auf den Wangen des Rechtsmediziners blühten rote Flecken.
    Yasi Ana wandte sich Bastian zu. «Aber wenn Sie das Kondom finden, können wir sagen, ob er einen Spatz in der Hand oder eine Taube im Bett hatte.»
    Susanne stöhnte. «Geht das auch weniger blumig?»
    Die Chinesin tat erstaunt. «Deutsches Sprichwort. Sagt man nicht: Lieber einen Spatz in der Hand …»
    Der Kopf ihres Kollegen glühte inzwischen wie eine Birne. «Das ist kein Sprichwort, Yasi.»
    «Entschuldigen Sie, aber wir haben nicht endlos Zeit», maulte Susanne und stand auf. «Kommst du, Bastian?»
    «Was ich damit sagen wollte …» Yasi Ana ließ sich nicht beirren und schaute Bastian in die Augen. «Falls eine zweite Person im Spiel war, hat sie wahrscheinlich DNA -Spuren auf dem Kondom hinterlassen.»

[zur Inhaltsübersicht]
Zwei
    Susanne Hagemeister war nicht begeistert, sie fürchtete, zu spät zur Sitzung der Mordkommission zu kommen. Bastian musste schon seinen ganzen Charme aufbieten und zudem versprechen, alle Schuld auf sich zu nehmen, bevor sie dem Abstecher zu Mergentheims Villa zustimmte.
    In Rekordgeschwindigkeit prügelte Bastian den Dienstpassat über die B 54 ins nördliche Münsterland, kurvte durch Altenberge bis zu dem Hügel, der der Kleinstadt nicht nur ihren Namen, sondern dem Banker auch reichlich Baugrund für seinen Protzbau verschafft hatte. Der weiße Sprinter
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