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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt
Autoren: Jürgen Kehrer
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gebracht. Eine späte, wenn auch nicht zu späte Anerkennung seiner Leistung, wie Bastian fand.
    Eigentlich sollte er nach Hause gehen. Er war seit über zwölf Stunden im Dienst und hundemüde. Und gleichzeitig total aufgekratzt. Die Vorstellung, in seiner aufgeheizten Dachgeschosswohnung, die er nach der Trennung von Lisa gemietet hatte, auf der Couch zu liegen und mit einem Bier in der Hand auf den Fernseher zu starren, reizte ihn ganz und gar nicht. Überhaupt ging ihm seit einiger Zeit das Alleinsein auf die Nerven. Doch mit wem konnte er sich verabreden? Der Einzige, der ihm spontan einfiel, war Udo Deilbach. Der würde sich allerdings nur widerwillig von der Terrasse seines Reihenhauses in Gievenbeck locken lassen. Und besonders unterhaltsam würde der Abend auch nicht werden.
    Bastian zog die Visitenkarte von Yasi Ana aus der Hemdtasche, die ihm die Rechtsmedizinerin bei seinem zweiten Besuch gegeben hatte. Er dürfe sie jederzeit anrufen, hatte sie gesagt. Eine Höflichkeitsfloskel, was sonst. Es war absurd, überhaupt daran zu denken. Sie hatte Medizin studiert und einen Doktortitel, stand bildungsmäßig zwei Klassen über einem einfachen Oberkommissar, warum sollte sie sich für ihn interessieren? Erst ab fünfzig begannen Frauen, jüngere und weniger gebildete Männer in Betracht zu ziehen. Davon war Yasi Ana noch rund zwei Jahrzehnte entfernt.
    Trotzdem, anrufen konnte er sie, so tun, als habe er eine dienstliche Frage. Falls sie sich überhaupt noch in der Rechtsmedizin aufhielt und nicht längst nach Hause gegangen war.
    Nach dem dritten Klingeln hätte er beinahe schon aufgelegt. «Yasi Ana.»
    Er sagte seinen Namen.
    Sie lachte. «Ach, der Kommissar! Na, so schnell sind wir auch nicht, da müssen Sie sich schon bis morgen gedulden. Oder geht es gar nicht um das Kondom?»
    «Doch … Nein, äh … also, ich …»
    «Vielleicht möchten Sie mich ja fragen, ob ich mit Ihnen irgendwohin gehe, wo es etwas Kühles zu trinken gibt?»
    Machte sie sich über ihn lustig?
    «Und wenn es so wäre?»
    «Würde ich nicht nein sagen. Sie kennen sich in Münster besser aus als ich. Was schlagen Sie vor?»
    Wo konnte man am besten draußen sitzen? «Den Kreativkai am Hafen?»
    «Gut. In einer Stunde.»
    Nachdem sie den genauen Treffpunkt vereinbart hatten, legte Bastian auf.
    Nie im Leben hätte er heute Morgen um fünf, als sein Wecker klingelte, daran gedacht, dass der Tag eine solche Wendung nehmen würde.
    |||||
    Im olivfarbenen Wasser des Hafenbeckens spiegelte sich der alte Kran, der längst nicht mehr in Betrieb war, sondern als Kulisse für die Kneipenszene auf der anderen Uferseite diente. Ein paar Yachten spielten Marina, Skipper mit Goldkettchen und vollbusigen Begleiterinnen nahmen huldvoll die Prozession der Schaulustigen ab, während sie aus langstieligen Gläsern Champagner tranken. Schon vor mehr als zehn Jahren hatte sich die Industrie aus dem Hafen zurückgezogen, die verbliebenen Reste der alten Kultur warteten auf ihren Abriss oder die Verlegung an den Stadtrand. An die Stelle der Hafenbetriebe waren Investoren getreten, die Neubauten errichteten und ehemalige Silos in Ateliers oder Büroräume verwandelten. Und unterhalb der Büros, in denen Werbemenschen, Architekten und Verlagsangestellte arbeiteten, reihten sich Restaurants, Cafés und Clubs wie Perlen auf einer Kette. An warmen Sommerabenden war es trotzdem nicht einfach, einen freien Platz auf einer der Holzterrassen zu ergattern.
    Yasi Ana hatte es geschafft. Bastian entdeckte sie sofort. Aus der Menge der blonden, langhaarigen Frauen in dezentem Chic, die Münster und vor allem die Hafenszene bevölkerten, stach sie heraus wie ein grüner Papagei aus einem Schwarm Krähen. Sie trug eine schwarze Dreiviertelhose, eine bunt gemusterte Bluse und einen Strohhut. Ein bisschen sah sie aus wie eine Reisbäuerin, die kurz ihren Tragekorb abgestellt hatte. Sie winkte ihm zu, und er winkte zurück.
    «Ich habe mir schon etwas bestellt.» Sie zeigte auf ein Cocktailglas, in dem geschichtete Flüssigkeiten einen Regenbogen bildeten. «Ein durstiger Bauch hat keine Ohren.»
    Bastian beschloss, vorerst nüchtern zu bleiben, und orderte ein alkoholfreies Weizenbier. Dann erzählte er von der Sitzung im Polizeipräsidium und der Wirkung, die das Kondom erzielt hatte. Denn im Grunde genommen war es ja nicht sein, sondern Yasi Anas Verdienst, dass die Ermittlungen in eine neue Richtung liefen.
    Nachdem die Arbeit abgehakt war, fragte Bastian, wieso es Yasi
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