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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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sprechen, bei dem jedes Wort so platt geklopft und wäldlerisch garniert wie ein Jägerschnitzel daherkommt.
    Und Hirschböck war definitiv einer vom Land. Bäuerlich wirkten ja viele, wenn man sie aus dem Anzug stemmte. Ein rot geädertes Gesicht, tief angesetzter Scheitel und abstehende Ohren. Da machte man leicht den Fehler, diesen Menschenschlag zu unterschätzen. Aber sie waren schlau, zäh, hatten alles nötige Sitzfleisch für Verhandlungen, und verhandeln ließ sich immer etwas, sogar die ehernen Prinzipien, denn hierzulande zählt nie der Buchstabe des Gesetzes, sondern immer nur das große Ganze. Dieses große Ganze ist wie der Himmel über Bayern, im Prinzip ist er weißblau, aber manchmal halt nicht. Darin ist man ganz katholisch: Wenn man dem Menschen schon Gebote auferlegen muss, dann darf der auch mal kräftig ausscheren. Sonst macht das ganze Leben keinen Spaß.
    Ich hob ihn auf und schleppte ihn in meine Wohnung. Dort hielt ich seinen Kopf unter die Brause, betupfte seineWunden mit Jod und flößte ihm eine Tasse furchterregend starken Pulverkaffee ein. Dass dieses probate Mittel unserer Vorfahren, den Alkoholpegel in nüchterne Bereiche runterzudrücken, ein Märchen war, wusste ich längst, aber so ein gallenbitteres, heißes Gebräu lässt auch im dumpfesten Schädel wieder ein paar Lämpchen aufleuchten.
    Tatsächlich!
    Der Traublinger solle kommen, ansonsten wolle er den Edi sprechen.
    So kamen wir dennoch nicht weiter. In meinem Altkleiderfundus fand ich einen grauen Hausmeisterkittel, den ich ihm überzog. Nun waren seine Alkohol-Urin-Ausdünstungen auf ein erträgliches Maß heruntergedimmt. Ein böswilliger Mensch hätte ihm jetzt eines meiner gerahmten Sowjetplakate in den Schoß gelegt und ein paar Fotos geschossen. Fantasien in dieser Richtung hätte man genug, aber Wehrlosen gegenüber bin ich ein gutartiger Mensch.
    – Taxi, schrie ich ihn an. Wohin?
    Hirschböck hob den Kopf.
    – Harlaching.
    Das würde glattgehen. Also rief ich ein Taxi, steckte Hirschböck eine meiner Geschäftskarten oben in die Brusttasche, damit er sich, wie es in Bayern heißt, revanchieren konnte, setzte ihn in den Wagen und gab dem Fahrer, einem Türken mit viel Verständnis für betrunkene Einheimische, einen Zwanziger. Er solle ihn an den gewünschten Ort bringen. Als ich jedoch nach einiger Zeit durch das Fenster hinausschaute, sah ich, dass sich nichts getan hatte. Der Wagen stand unverändert vor dem Laden. Also ging ich nochmals hinaus und fragte, was los sei.
    Hirschböck saß hinten im Fond und stierte vor sich hin. Der Türke war verzweifelt.
    – Wohin? Die Straße!
    – Meichelbeckstraße, nuschelte Hirschböck in dem ihm eigenen Dialekt.
    Der Türke sah mich an.
    – Was meint er? Meiselböck oder Meischelbach oder wie oder was?
    Keine Frage, für einen Taxifahrer und seinen betrunkenen Gast war das der GAU. Selbst wenn man die Meichelbeckstraße noch astrein aussprechen konnte wie Hirschböck, ergab sich durch die unterstellte alkoholische und dialektale Verzerrung ein derart brutaler Parallaxenfehler, dass man so gut wie keine Chance hatte, dorthin gebracht zu werden, es sei denn, der Fahrer hätte gewusst, dass es eine Meichelbeckstraße wirklich gab.
    – Meichelbeckstraße, wiederholte ich, Menterschwaige, kurz vor der Eisenbahnbrücke rechts.
    Endlich fuhren sie los.

2
    Gerade mal zwei Stunden durfte ich den feierabendlichen Frieden genießen. Dann klingelte es an meiner Haustür. Schnauze voll, dachte ich, ich wollte meine Ruhe. Ich hatte es mir mit Zigaretten, Bier und »Prinz Eisenherz« wieder gemütlich gemacht. Das Weißbierglas setzte ich ganz unauffällig ab, um nicht herumzuscheppern. Eine verfehlte Maßnahme, vielleicht wäre Lärm besser gewesen. Bald darauf rasselte ein Schlüsselbund an meiner Tür, und schneller, als ich hochfahren konnte, standen zwei Herren in passablen grauen Anzügen im Flur. Der Erste trug ein grünes Polohemd, der Zweite ein rotes, trotzdem sah das stark nach Dienstkleidung aus.
    – Guten Abend, Herr Gossec, sagte der Vordermann.
    Das klang ziemlich höflich, auch das Lächeln des Hintermanns wirkte ausgesprochen schüchtern. Geradezu sympathisch. Ich war vollkommen verdattert.
    – Was gibt’s, fragte ich.
    Der Grüne hob den Dietrich hoch, den er noch in der Hand hatte.
    – Zunächst einmal müssen wir uns entschuldigen für unser überraschendes Eindringen …
    – … aber wir sahen Gefahr im Verzug, ergänzte der Schüchterne.
    – Und da
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