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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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weil so hochgetaktete Männer wie er auch im Ruhezustand die schweißige Energie von Moschusochsen absondern. Ich trat einen Schritt zurück.
    – Also, worum geht es?
    Mit beiden Händen riss Traublinger das Papier vom Päckchen und holte ein in Plastik gehülltes graues Teil hervor.
    – Erstens: der Kittel. Gereinigt und fachmännisch kunstgestopft.
    Er warf ihn vor mich hin.
    – Zweitens: das Fahrgeld.
    Er hielt ein Kuvert hoch, öffnete es und ließ einen Hunderteuroschein hervorspitzen.
    – Hoppla. Mit Bakschisch vom Effendi. Da sag ich aber ganz herzlich Vergelts Gott!.
    – Bloß nicht frech werden.
    – Frech, ich? Für einen, der an dem betreffenden Abend die Sache vergeigt hat, reißen Sie hier ganz schön das Maul auf. Mehrfach hat Ihr Chef gejammert, Sie möchten ihn nun endlich abholen. Wo waren Sie eigentlich?
    Traublinger schlug mit der flachen Hand auf meine Theke, dass meine alte Registrierkasse einen Satz machte.
    – An mir lag’s nicht! Ich habe mit dem Wagen an der verabredeten Stelle gewartet. Stundenlang. Wer nicht kam, war er.
    – Brav, sagte ich. Dann grüßen Sie den Chef mal schön von mir. War mir ein Vergnügen.
    Ich ging zur Tür und hielt sie auf. Ich wollte nicht meine Einrichtung unter den Händen dieses Rohlings zerschmettert sehen.
    Traublinger ging an mir vorbei. An der Tür fasste er sich in die Brusttasche und zog ein handgeschriebenes Billet hervor.
    – Das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen.
    Er ließ es in meinen Hemdausschnitt fallen.
    – Wiedersehen!
    Dann brachte er den BMW zum Brüllen. Was folgte, war ein Kavalierstart mit einer so sagenhaften Beschleunigung, dass der Fahrer den gewünschten Schlag ins Kreuz bekam.
    Ich fummelte das Papier aus meinem Hemd. Hirschböck hatte ein paar Zeilen geschrieben. Der Kernsatz lautete: »Sollten Sie sich gelegentlich auch einmal in einer Verlegenheit befinden, so zögern Sie nicht, mich zu verständigen. Ich helfe gern. Ihr Ernst Hirschböck.« So etwas ist in Bayern Gold wert. Wenn ich aus dem Regensburger Dom ein Parkhaus machen wollte, musste ich nur meinen Freund Ernst anrufen.

4
    Ich fing an, die ganze Geschichte zu vergessen. Sie verblasste so schnell wie das verflossene Oktoberfest. Damals ahnte ich noch nicht, dass die Sache eine turbulente Fortsetzung finden würde.
    Nach der Wiesn wird es in München ziemlich ungemütlich. Den goldenen Oktober hat man dann schon verjuckelt, die letzten Buschhemden samt Twelve-Pocket-Bermudas sind unwiderruflich aus dem Stadtbild verschwunden und in der Urlaubskiste versenkt. Im Schlachthofviertel haben wir einen todsicheren Hinweis auf den Beginn der kälteren Jahreszeit: Plötzlich stinkt es nicht mehr, weil der Kadavergeruch nicht mehr aus den Gullys hochgedrückt wird. Auf den vertrauten Gestank wird man lange warten müssen, er kommt erst als Frühlingsbote wieder. Im Herbst ziehen von den Isarauen Nebelschwaden herauf, das Pflaster ist nass von dieser feuchten Kälte, die einen richtig klamm macht. Irgendwo ganz oben istder Himmel immer blau, aber das nützt einem nichts, wenn man nur graue Wolken sieht. Mir schlägt das alles empfindlich aufs Gemüt, schon der Morgen ist so bleiern, dass man den Resttag getrost in die Tonne treten könnte. Und was soll denn da noch rauskommen, wenn man den Tag mit Schokolebkuchen und Glühwein beginnen müsste, um sich in Stimmung zu bringen?
    Ich machte mehr Sport und ging öfter mal spazieren. Aber lange hielten solche Programme meist nicht vor. Man solle allem und allen mit einem Lächeln begegnen, sagt der Dalai-Lama, das mache einen selber froh. Da war was dran, das wusste ich, weil auch das Gegenteil stimmte. Wenn einer wie ich die Zähne nicht auseinanderbekam, begegnete er allem und allen nur noch mit der Panzerfaust. Logischerweise war ich in diesen Zeiten fast ausschließlich mit dem Unangenehmen konfrontiert.
    Diverse Überschwemmungen hatten den spärlichen Grasbewuchs in den Isarauen erheblich dezimiert. Um die Lehmwüste in Wiese zu verwandeln, hatte die Stadtgärtnerei auf großen Flächen Gras ausgesät, sie umzäunt und mit einem weitmaschigen Naturfasernetz geschützt. Davor waren große Schilder aufgestellt, die darum baten, diese Flächen nicht zu betreten. Auf einem meiner Spaziergänge sah ich, wie mitten in diesem Gelände ein fetter Kerl mit grüner Armeekappe stand.
    – He, schrie ich, raus da, oder kannst du nicht lesen?
    Seelenruhig zündete er sich eine Zigarette an und schnippte sein Streichholz ostentativ
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