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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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auf den Boden.
    – Raus, schrie ich noch mal, oder ich schlepp dich da runter.
    Er nahm einen tiefen Zug, inhalierte und grinste dabei.
    – Versuch es doch, Arschloch.
    Dann beugte er sich zur Seite und knipste seinen Hund von der Leine, ein schwarzes, breitschultriges, muskulöses Vieh, das knurrend die Lefzen hochzog und Eckhauer wie ein Säbelzahntiger zeigte. Das also ließ ihn so ruhig und gelassen auftreten. Wie recht hatte doch der Dalai-Lama, auch solchen Ekelpaketen sollte man gelegentlich lieber mit einem Lächeln begegnen, denn die Konfrontation mit einem Kampfhund konnte einen unglücklich machen. Ich musterte ihn genauer, um abschätzen zu können, was mich erwartete. Er hatte nicht die faltige Lappenschnauze eines Mastino, ebenso wenig den Schweinekopf eines Bullterriers oder das breite Maul eines Mastiffs. Eigentlich sah er aus wie eine italienische Promenadenmischung nach Gladiatorenart.
    – Zitto, zischte ich.
    Tatsächlich hielt der Hund einen Moment lang inne. Ich hatte also einen Italiener vor mir. Diese Tiere waren leidgeprüfte Streuner. Wenn sie sich einem Haus oder einem gefüllten Napf näherten, wurden sie mit Steinwürfen vertrieben. Ich bückte mich, hob einen Stein auf und holte aus. Winselnd und in ausgreifenden Sätzen verschwand der Köter hinter einem Busch. Das überlegene Grinsen des Dicken war ausgeknipst, als hätte ihm jemand den Stecker gezogen. Ich winkte ihn zu mir her. Als er vor mir stand, schlug ich ihm die Kappe vom Kopf. Gewaltbereitschaft muss man unmissverständlich signalisieren, sonst verliert man bei solchen Typen sofort jede Autorität und sie werden wieder zeckig. Er bückte sich, hob seine Mütze wieder auf und klopfte den Dreck an seinem Oberschenkel ab. Ich fasste ihn am Unterarm und führte ihn zu dem Schild.
    – Lies doch mal vor, sagte ich.
    – »Münchner Bürger schützt eure Anlagen. Achtung, empfindliche Aussaat, bitte nicht betreten«.
    – Sehr schön. Eigentlich klar, verständlich und nachvollziehbar, oder?
    – Eigentlich schon, würgte er.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete er mich, um rechtzeitig abtauchen zu können, wenn ich noch mal hinlangte. Ich streckte ihm stattdessen die Hand hin. Zögerlich schlug er ein.
    – Dann haben wir ja heute was gelernt. Lass dich bloß nicht mehr von mir erwischen.
    Als ich weiterging, fand ich meine Aktion ziemlich beschissen. Der Deutsche hat was vom graukitteligen Blockwart in den Genen, ich offenbar auch. Man brettert an dem auf der Mittelspur fahrenden Kleinwagen mit zweihundertfünfzig Sachen vorbei. Statt ihm den Stinkefinger zu zeigen, möchte man ihm was fürs Leben mitgeben und fährt dann ostentativ schnurgerade rechts, um dem kleinen Arschloch zu demonstrieren, wo es eigentlich hingehört.
    Im Sendlinger Boten , den sie mir aus Gründen der Reichweite vierzehntägig vor die Tür werfen, stand neulich, dass die beiden Offizianten des Deutschen Automobilvereins zu Hausmeistern des Jahres gekürt wurden. Fehlte nur noch der Hinweis, dass sie damit automatisch für den in irgendeiner Rechtsradikalen-Hochburg stattfindenden nationalen Wettbewerb qualifiziert waren, bei dem der Sieger im »La Paloma«-Zwitscherpfeifen ermittelt wird. Niemand tiriliert das so anrührend wie der deutsche Hausmeister beim Hofkehren. Im Beiprogramm ein Chor von Pedellen aus Nordrhein-Westfalen, die alsDonkosaken verkleidet die schönsten Motive aus »Doktor Schiwago« darbieten. Pfeifen können sie wie Nachtigallen, das kann dem deutschen Hausmeister niemand nehmen.
    Hausmeisterin einer ganzen Dekade blieb jedoch die unvergessene Frau Pröstl aus der Schluderstraße am Rotkreuzplatz, wo ich früher einmal gewohnt hatte. Wer sich ihr gegenüber nicht anständig beim Treppenhausputzen aufführte, bekam die Fußmatte »Schwein der Woche« mit einer rosig grinsenden Sau vor die Tür gelegt. Wenn alles zu gut und zu harmonisch lief, ließ sie gelegentlich selbst im Hof bei einigen Fahrrädern die Luft ab, denn der Hausmeister benötigt zur Festigung seiner Herrschaft das flagrante Chaos und den Hilfe heischenden Nachbarn.
    Mein Gott, zu was für abseitigen Gedanken verleiteten einen diese nebligen Tage.
    Aber auch der Sport half mir hier nicht aus der schlechten Laune. Ich war schon seit Jahren Abonnent in »Ben’s Kraftstudio«. Früher war man ein Exot, wenn man eine Muskelbude besuchte. Ich brauchte das schon immer, denn ich lebe von diesen Haushaltsauflösungen. Wie käme ich sonst an den Trödel, den ich als Antiquität in
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