Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck
Autoren: Georg Lentz
Vom Netzwerk:
Holz, dessen Fasern in verschiedene Richtungen verliefen, aber sie präsentiere sich doch wie aus einem Stück. Eben. Man könne, Drehung nach links, die Hand abschrauben, sie ersetzen durch einen praktischen eisernen Arbeitshaken, ähnlich geformt wie ein Bootshaken: »Das weiß ich als Mariner«, bekräftigte Johann Buseberg. Und: »Frau, hol doch mal den Haken.«
    Sie fand ihn, poliert und mit kräftigem Schraubgewinde versehen, das, so weit ließ sich technisch vorausdenken, dem Gewinde an der Hand entsprechen musste. So war es, ich durfte die Arbeitsklaue nicht nur besichtigen, sondern auch an- und wieder abschrauben, wobei ich noch erfuhr, dass es sich hier um das weltweit bewährte System Masters handelte.
    Lehrreich war das und hochinteressant. Und mit fünf Pfennigen vorteilhaft abgegolten. Doch jetzt kam ja noch das Hauptstück, die Befestigung seiner mechanischen Sonntagshand, System Mathieu , wenn ich die entsprechenden Aufklärungen Busebergs richtig behalten habe, das Anbringen am lebenden Armstumpf. Ich hob den Apparat, und Busebergs Stumpf glitt routiniert in die feste Manschette. Dann wies er mich an, das baumwollene Schnürband in hohlgenietete Löcher zu fädeln, diesich in zwei Reihen die gesamte Manschette hinaufzogen. Kraft war nun nötig für den Zug zu guter Letzt, damit die Manschette auch fest saß. Aber es gelang. Bei der Schleife musste ich kapitulieren. Frau Buseberg übernahm es, in gewohnter Weise, wie sich aus ihren schnellen Bewegungen schließen ließ. Eigenhändig rollte Buseberg den knisternden Hemdsärmel über die lederne Prothesenhalterung.
    Für fünf Pfennige! Harald Buseberg zwinkerte und produzierte handflächenreibend Schweiß. Seine Ehrlichkeit stand außer Zweifel. Ich, Karl, begriff wenig über das mechanische Prinzip hinaus, brütete aber über einer bisher unbekannten Glückseligkeit, die ich wie einen warmen Kloß in meinem Bauch spürte.
    Frau Buseberg trug Vanillepudding mit Schokoladensauce auf. Erstaunlicherweise aß auch Vater Buseberg, führte mit heiler linker Hand den Alpakkalöffel. Als Dreingabe oder Geschenk: Er zeigte den Tischgenossen, den Knaben, wie ein Großvater Pudding isst. Dazu wurde von ihm ein riesiger Vanillewackel auf schmalem Löffel mit absichtlich zitteriger Hand zum Mund geführt. Doch bevor der gelbe Steifbrei in Vater Busebergs lachend aufgerissenem roten Schlund verschwand, durfte die Masse verunglücken, zurückplumpsen in die Schokoladensauce, die aufspritzte.
    Die Knaben lachten.
    Frau Buseberg rügte: »Aber, Mann …«
    Es war zwölf, als ich heimging, satt von Pudding und Erlebnissen. »In Zukunft kostet es zehn Pfennige«, rief Harald mir nach, als ich durchs Gartentor schlüpfte.
    Ich rannte heim, schlich mich durch die Veranda, hinten herum. Doch in der Laube klappte eine Tür. »Wo warstdu?«, fragte Mutter Minnamartha. »Ooch …«, murmelte ich, »nur bei Harald.«
    Minnamartha hatte BZ am Mittag, Lokalanzeiger und Morgenpost mit bunter Donnerstagbeilage Brummbär abonniert. Als aufmerksame Leserin entdeckte sie bald eine Notiz, die, je nach Blatt in verschiedener Länge und unterschiedlichem Stil abgedruckt, Johann Buseberg betraf. »Einen gewissen Johann Buseberg«, sagte Minnamartha, aber sie schloss ganz richtig, dass es sich um Haralds Vater handeln müsse. Der Pressebericht lautete in seiner ausführlichsten Form, wie ihn der Lokalanzeiger abdruckte:
    INVALIDER SKAGERAK-VETERAN STRECKT RÄUBER NIEDER
    Berlin. Eigener Bericht.
    Dem ehemaligen Marineartilleristen Johann Buseberg, 40, gelang es auf verblüffende Weise, einen gefährlichen Räuber unschädlich zu machen. Infolge einer schweren Verwundung während der Schlacht von Skagerak trägt B. eine hölzerne Unterarmprothese.
    Am Donnerstag in den Abendstunden, als B. sich, wie üblich radelnd, von seinem Arbeitsplatz auf den Heimweg begab, stellte sich ihm im sogenannten Zehlendorfer Haselhölzchen ein Individuum in den Weg. Die Person, inzwischen als der 20-jährige Schleifer Günther H. identifiziert, zwang den Heimkehrenden zum Absteigen und forderte ihn auf, seinen Geldbeutel zu übergeben.
    Buseberg, vom Krieg her an Gefahren gewöhnt, zögerte nicht. Er hielt zwar an und stieg ab. Blitzschnell erhob er jedoch dann seine Holzhand und ließ sie auf den Kopf des Räubers niedersausen. Dieser brach besinnungslos zusammen.
    Seelenruhig wartete Buseberg, neben dem Niedergestreckten Wache haltend, das Hinzukommen anderer Passanten ab. Er bat, einen Polizisten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher