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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck
Autoren: Georg Lentz
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zehn Pfennige zu finden. So besuchte ich schließlich die Laube des Prothesenträgers seltener, bis ich nur noch gelegentlich bei Busebergs zu Gast war, Schnürbänder einfädelnd, angesichts gelber Puddinghügel, die, unter Johann Busebergs meckerndem Lachen, nach wie vor in braune Schokoladensauce plumpsten. Dem Vermittler Harald sagte ich: »Ich hab’ einfach kein Geld.«
    Übers Jahr, als der Sommer wiederkehrte mit seinenfröhlichen tiefblauen Gewittern, stellte ich fest, dass ich Busebergs Manschette und auch Vater Edes Kavalleriestiefel vernachlässigte. Nicht mehr zahlte ich gestohlenes Geld in Haralds gekrümmten Handteller, nicht mehr rief ich Gustav, damit der geschorene Tölpel Wasserlachen im Stechschritt durchmesse. Ich legte nicht einmal mehr die herrlichen schwarzen Stiefel selbst an. Das Lederfett Marke Fake roch ranzig, und Urbin, den guten Schuhputz schmierten andere sich aufs Schuhwerk, soweit es schwarz war: Ich selbst trug braun.
    Braun gebrannte Beine, grätige Arme von sieben, acht, neun kleinen Mädchen interessierten mich nun. In Laube elf wohnten sie und an der Stammbahn beim Bierladen und im spitzen Siedlungshaus, und in Laube vierundvierzig und einundneunzig. Wanda hieß eine, dann gab es Ingrid, Gigi, Häschen, Marie, Anneliese und noch ein paar. Wanda fiel auf, weil sie dick und riesig war, sich gerne abseits hielt. Sonst konnte ich sie kaum voneinander unterscheiden mit ihren blitzenden frechen Mündern. Halt, noch eine Ausnahme: Irmchen, bisher gar nicht erwähnt, fürchtete sich, wenn es donnerte.
    Wanda aber, Wanda Puvogel, Tochter des Kolonialwarenhändlers Ernie Puvogel aus der Kolonie Tausendschön glich, massig und mit lieblich-blödem Lächeln, einem bekloppten Erzengel, der den Eingang zum Paradies bewachte.
    Beispiel: Ede sagt zum ahnungslos sandspielenden Karl: Geh mal Persil holen. Als ich Kind war, leuchteten strahlend weiß gekleidete Riesendamen auf dunkelgrün (»Persilgrün«) von vielen Häuserwänden, an Stadtbahnstationen besonders, um durch ihr makelloses Beispiel darauf hinzuweisen: Persil bleibt Persil. Ohne Persil geht es nicht. Auch bei vielen Kaufleuten, Krämern, Kolonialwarenhändlern hingen entsprechend verkleinerte Plakate an der Ladentür, oft neben einer Plakette mit der Aufforderung:
    »Trittst du hier als Deutscher ein – soll dein Gruß Heil Hitler! sein.«
    Da es schwierig war, auf den Schwellen dieser Ladeninhaber, die mit der Zeit gingen, seine Staatsangehörigkeit zu ändern, verloren solche Läden manchen guten Kunden. Unsere Gegend war nicht ausgenommen. Manche wechselten, verschreckt oder peinlich berührt, zu Ernie Puvogel über. Denn an seiner Ladentür fehlten Hinweise auf neue Grußpflichten. Aus gutem Grund. Puvogel war Kommunist von reinstem Schrot und Korn. Grünweiße Persilplakate hingegen hatte Ernie in Hülle und Fülle verwendet, um Ritzen abzudichten, die fingerbreit allenthalben in seiner baufälligen Verkaufsbaracke am Rand des Koloniefestplatzes klafften. Puvogels Kunden lasen hundertmal: Persil. Wer in der Kolonie also an Persil dachte, musste zugleich auch an Puvogel denken. Mindestens an seinen Laden, in dem es, neben Kaiserauszugmehl, Dauerwürsten und sauren Gurken tatsächlich auch Persil gab. In großen und kleinen (grünweißen) Paketen.
    Ede sagte also, ich sollte Persil holen. Da ein Mann Persil selten als notwendig erachtet, ja, einen Persilmangel im Haus überhaupt nicht bemerkt, schloss ich, dass der Auftrag ursprünglich von Minnamartha, meiner Mutter, ausging, an ihren Mann nur weitergegeben, damit dieser den Waschpulvereinkauf finanzierte. Er klaubte, in Unkenntnis der augenblicklichen Persilpreise, ein Zweimarkstück mit Hindenburg vorn drauf aus der Geldkatze, und befahl oder schlug vor, suggerierte oder schaffte an, dass ich Persil holen sollte.
    Ich stellte den Bau eines Verbindungstunnels durch den mittleren von drei künstlich errichteten Sandbergen ein,reinigte die erdbekrümelte Hand am Hosenboden und nahm den runden Hindenburg, Wert zwei Mark, in Empfang. Großes Persil, dachte ich, oder kleines Persil? Aber ich beschloss, meinen Vater nicht mit dieser kniffligen Frage zu konfrontieren, denn sicher ahnte Ede nichts von der Existenz zweier verschiedener Paketgrößen. Ich beschloss, entsprechend der reichlichen Summe, die zur Vergügung stand, ein großes Paket von Puvogel zu fordern, oder, falls dies gerade nicht am Lager sein sollte, zwei kleine oder sogenannte Normalpakete zu kaufen.
    Auf jeden Fall
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