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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck
Autoren: Georg Lentz
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musste, um eine Wiederholung von Puvogel-Aufträgen in absehbarer Zeit zu vermeiden, möglichst viel Persil ins Haus geschafft werden. Und warum? Weil Puvogels Tochter Wanda den Erzengel oder Zerberus mimte, am Zugang zum Festplatz der Laubenkolonie.
    Es gab hier eine Art Tor, mehr ein Triumphbogen, im Halbrund über Kopfhöhe gekrönt von den blechgestanzten Worten: Festplatz Kolonie Tausendschön. Unmittelbar vor diesem Tor verengte sich der ursprünglich gut wagenbreit angelegte Weg, der als Einziger zum Festplatz und zu Puvogels Laden führte, durch eine im Sommer fast nie eintrocknende Wasserlache auf knapp Meterbreite. Auf diesem schmalen Damm stand Wanda Puvogel.
    Stand Ernie Puvogels dumme Tochter, säulenbeinig, mit Armmuskeln, die unter der Haut spielten wie bei einem Athleten, und riesigem, gierig mahlendem Unterkiefer.
    Sabberte sie sogar? Ich glaube ja.
    Nun näherte ich mich der Ungetümen, meine Hand umklammerte den runden Hindenburg, Wanda drohte riesig und ich dachte: Wird sie mich oder wird sie mich nicht?
    In die Pfütze stoßen, nämlich. Denn das war ihre Spezialität. Diesmal tat sie es nicht.
    Wanda Puvogel trat einen Schritt zur Seite, was etwaden Eindruck machte, als ob ein Elefant sein Gewicht verlagert. So wurde zwar nicht der Weg, aber zumindest ein Streifen Schlamm notdürftig begehbar. Ich schmatzte am Rand der Pfütze unter Wandas Idiotinnenblick vorbei, gewann zwei Meter hinter ihr wieder feste, hellgelbe märkische Erde und eilte, ohne mich umzusehen, in Puvogels Baracke.
    Jener Mann, der Jahrzehnte später den Reklameigel Mecki erfand, muss Ernie Puvogel gekannt haben. Überflüssig zu erwähnen, dass Puvogels Haarschnitt exakt an Igelstacheln erinnerte. In Vollendung eines Vorbildes, das der Krämer ja gar nicht kennen konnte, rollten Ernie Puvogels stechende, kleine Augen in Fettpolstern. Spitzten sich Mund und Nase zur Schnüffeltülle, als wolle er unter Hecken Feldmäuse, Bucheckern oder Haselnüsse aufspüren. Wölbte sich sein Bauch, trotz einschneidendem Hosenriemen, in makelloser Rundung.
    Puvogels Beine waren kurz, selbstverständlich. Und es war ein Scherz der Natur, ein Webfehler in den Chromosomen, der seine Tochter mit plumpen Säulenbeinen ausgestattet hatte.
    Puvogel Vater stellte den emsigen Igel dar. Als solchen benutzte seine Partei ihn gern bei illegalen Plakataktionen, wo Puvogel, bei Nacht und Dunkelheit blitzschnell die Kleisterquaste auf und ab schwingend, Beachtliches – wenn auch wenig Wirkungsvolles – geleistet hatte.
    Flink bediente der Igel auch. Zwischen Ladentisch und Regalen, zwischen Gurkenfass und minimal zu seinen Gunsten falsch gestellter Präzisionswaage eilte er hin und her.
    Puvogels Igel-Eigenschaften halfen ihm, zu überleben.
    Puvogel reicht jetzt dem Kunden Karl Kaiser ein großes Paket Persil (es ist am Lager), nimmt den Hindenburg entgegen, den er, als einfachste Falschgeldprobe, auf einer Marmorplatte klingen lässt, die er sonst benutzt, um Wurst zu schneiden. Oder Schinken. Er gibt Wechselgeld heraus. Karl sagt »Auf Wiedersehen«, der neue deutsche Gruß musste ja hier nicht angewendet werden, und verlässt mit Persil Puvogels Laden.
    Auf der Landenge waberte, wabbelte und wurzelte Wanda Puvogel. Doch sie drehte mir den Rücken zu, und so gab es eine gewisse Chance, wiederum den Schlammpfad benutzend unbehelligt an ihr vorbeizukommen. Ich presste das Persilpaket an meinen Leib. Schon klatschte mein rechter Fuß in den Schlamm, da drehte der Mädchenkoloss sich um. Nur halb. Aber eine einzige Bewegung ihres massigen, muskulösen Armes genügte, um mich und Persil in die Lache zu stoßen. Matsch auf Anzug und Leib. Gefühl des brackigen Wassers, das sich in Hose und Hemd sog. Nicht so schlimm! Die Katastrophe war, dass jenes große Persil-Normalpaket ins Wasser fiel. Schnell weichten grünweißes Reklamepapier und brauner Karton. Der weiße, kleinkörnige Inhalt verwandelte sich im Nu zu Brei und Schaum. Während ich auf allen vieren, das labberige Paket unnötig hochhaltend, an Land kroch, wusste ich, dass ich Unbrauchbares heimbringen würde.
    Persil bleibt Persil. Aber nicht, wenn es in eine Pfütze fällt.
    Auf der Landzunge trotzte Wanda Puvogel breitbeinig. Lächelte unirdisch. Ich hinterließ eine dunkle Tropfspur im hellen Sand.
    Ingrid liebte ich. Ingrid wusste, weshalb Persil sich auflöste, weshalb Ede einen triefnassen Jungenhintern verbläute, denn Wanda Puvogel hatte die Schmach allenMädchen gepetzt. Und Ingrid,
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