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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly
Autoren: Peter Heinisch
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sie hätte alles liegen und stehen gelassen und wäre ihm nachgeflogen.
11
    Nachher, im Bett, lag Julia noch lange wach. Nein, sie lag nicht mit Marco im Doppelbettzimmer. Wahrscheinlich hatte er doch noch darauf gehofft. Er hatte sie so angesehen. Aber sie war nicht darauf eingegangen.
    Sie lag im Singlezimmer. Im Einzelbett. Lag wach und fragte sich, was sie von all dem halten sollte. Von Marco. Von diesem Brief. Und auch von sich selbst. Ein Brief, der ihr zu Herzen ging. Aber konnte sie wirklich glauben, dass er echt war?
    Anderseits: Sollte sie glauben, dass ihn Marco gefälscht hatte? ... War das möglich? Aber klar war das möglich! ... Alte Kuverts und Briefmarken ließen sich bei jedem Philatelisten auftreiben ... Dann hätte er nur noch das Problem gehabt, die Adresse der Empfängerin und des Absenders zu manipulieren.
    War ihm das überzeugend gelungen? Sie wusste es nicht. So genau hatte sie das Kuvert ja gar nicht angeschaut. Der Brief allerdings ... Sie hatte ihn immerhin zwei Mal gelesen ... War ihr irgendetwas an diesen knapp zwei mit einer gut leserlichen Handschrift bedeckten Seiten verdächtig erschienen?
    Ja, vielleicht das: dass sie so schön leserlich waren. Und dass der Brief so gut in die Geschichte passte. In die Geschichte, die Marco damals, vor vierzehn Jahren, verleugnet hatte. Damals sollte diese Geschichte, die sich doch so sehr mit ihrer eigenen Geschichte verbunden hatte, dass die eine ohne die andere für sie kaum mehr vorstellbar war, auf einmal nicht mehr wahr sein.
    Und jetzt ... Jetzt hatte er es sich wieder anders überlegt. Aus einer Anwandlung von Sentimentalität, die ihn hier, beim Flanieren in San Vito, erfasst hatte ... Konnte das, realistisch betrachtet, nicht zutreffen? Natürlich, sagte sich Julia, konnte das zutreffen.
    Vergilbtes Briefpapier hätte er bei irgendeinem Trödler bekommen. Auch eine alte Füllfeder und alte Tinte. Und dann hätte er sich eben hingesetzt und diesen Brief geschrieben. Einen erstaunlichen Brief, zugegeben, aber er war ja ein fantasiebegabter Mensch.
    Die Schrift? Ach Gott, die Schrift war kaum ein Problem. Sie hatten ja keine Schriftproben Mortimers zum Vergleich ... Ein Problem war allenfalls die Sprache, Julia erinnerte sich noch gut daran, wie schwach Marcos Englischkenntnisse gewesen waren ... Aber dann war er ein Jahr in den Staaten gewesen.
    Nüchtern betrachtet konnte der Brief, den Marco übrigens wieder an sich genommen hatte, also eine Fälschung sein. Allerdings war Julia in dieser Nacht nicht mehr ganz nüchtern. Wie denn auch? Sie hatten nicht wenig getrunken. Nach dem Brunello noch Grappa, eine sehr gute, sonnengelbe Sorte.
    Und vielleicht war der Brief ja auch echt, vielleicht war der Verdacht, der ihr beim zweiten Lesen gekommen war, schlicht und einfach falsch. Dass ihr der Brief fast zu schön vorgekommen war, um wahr zu sein, lag ja vielleicht an ihrer im Lauf der vergangenen Jahre gewachsenen Skepsis. Dazu hatte nicht nur die gescheiterte Liebesgeschichte mit Marco beigetragen, sondern auch ihr Beruf. Die ständige Beschäftigung mit zerstrittenen Paaren ist der persönlichen Romantik nicht wirklich zuträglich.
    Wenn sie also ihren Verdacht aussprach, würde sie Marco vielleicht fürchterlich Unrecht tun. Und er wäre zurecht zutiefst betroffen und beleidigt. Vielleicht, fiel ihr ein, sollte sie sich den Brief doch noch näher ansehen, etwa die Schrift darin mit der Marcos vergleichen, um ihrer Sache sicherer zu sein. Aber war das überhaupt ihre Sache: Marco eines allfälligen Betrugs zu überführen, eines Betrugs, der doch, wenn er sich denn beweisen ließ, auch bewies, dass er sie, bei allen Irrungen und Wirrungen, liebte?
    Denn warum hätte er sich sonst diese Mühe gemacht? Ja, so gesehen hatte die Möglichkeit, dass er den Brief gefälscht hatte, auch etwas Positives für sich. Eigentlich, dachte sie, wäre das beinahe rührend. Und mit diesem Gedanken schlief sie schließlich doch noch ein.

Acht
1
    In den nächsten Tagen taten sie sich viel in der Umgebung um. Suchten die Orte auf, an die sie sich erinnerten und durch die sie an etwas erinnert wurden. Orte draußen in der freien Gegend oder in den kleinen Dörfern der Umgebung. Orte, die zur ihrer Geschichte gehörten, dieser Lovestory mit Unterbrechungen und Fortsetzungen, die sie hier miteinander erlebt hatten.
    Weißt du noch?
    Ja, ich weiß.
    Nein, das weiß ich nicht mehr.
    Wirklich?
    Das soll ich gesagt haben?
    Das haben wir wirklich getan?
    Sag bloß!
    War
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