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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly
Autoren: Peter Heinisch
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das wirklich ich?
    Warst das wirklich du?
    Wir haben es aber ganz schön getrieben, wir beide!
    Und jetzt ... Wie viel Zeit doch vergangen war.
    Deine Kinder ..., sagte Julia. Sind das eigentlich Buben oder Mädchen?
    Von jeder Sorte eins, sagte Marco.
Un ragazzo è una ragazza
. Marcello und Giada. Er zog Fotos von ihnen aus seiner Brieftasche.
    Sahen sie ihm ähnlich? Ja – aber da war auch die Ähnlichkeit mit jemand anderem. Wahrscheinlich war Marcos Ex eine hübsche Frau.
    Julia zeigte ihm natürlich auch ein Foto von Benny. Aber das ist voriges Jahr aufgenommen, sagte sie. Jetzt ist er schon wieder ein Stück größer.
    Zu Tageszeiten, zu denen es nicht zu heiß war, gingen sie durch die Felder. Die waren schon abgeerntet, hier wogte um diese Jahreszeit kaum mehr das Korn. Über weite Strecken lag die Ackererde offen unter dem Himmel. Aber auch oder gerade das war von ganz eigentümlicher Schönheit.
    Grau, braun, blau, violett – ein erstaunliches Farbenspiel. Wie die Wolken über die Hügel zogen! Die Erde war hart und trocken, aber stellenweise sah es so aus, als glänzten die Schollen feucht. Und wenn man darüber hinsah, hatte man manchmal den Eindruck, man könnte sich in dieses Gehügel hineinschmiegen.
    Selbstverständlich gingen sie auch am Fluss entlang. Beim alten, verlassenen Travertin-Werk, an dem sie früher ohne weiteres vorbeigegangen waren, war eine Kette gespannt. Daran hing ein Schild mit der Aufschrift
Divieto l

accesso
. Durchgang verboten – natürlich hielten sie sich nicht daran, sondern schlüpften unter der Kette durch.
    Das war doch
ihr
Weg, der zu
ihrem
Platz am Fluss führte! Kleine Eichen,
macchia
, auf Lichtungen große, glatte, von der Sonne erhitzte Steine, die Eidechsen, die vor ihren Schritten ins Gebüsch flohen, gab es hier nach wie vor. Wahrscheinlich gab es davon sogar mehr als ehedem, denn der Weg war ja anscheinend kaum mehr begangen. Auch früher hatten sie hier nur wenige Menschen getroffen (nur ab und zu einen Angler oder einen Wilderer im Tarnanzug, der ihnen verschwörerisch zugenickt hatte), aber so wie es nun hier aussah (immer mehr zugewachsen, je weiter und immer mühseliger sie vorankamen), hatten sie den Eindruck, dass hier schon jahrelang niemand mehr gegangen war.
    Höchste Zeit, dass wir wiederkommen!, sagte Marco. Doch dort, wo von diesem Weg durchs Dickicht der noch schmalere Pfad abgezweigt war, der durch Heckenrosen und Ginster ans Ufer führte, kamen sie einfach nicht mehr durch. Irgendwo hinter dieser stacheligen, dornigen Barriere musste der Stein sein, der Felsblock im Fluss, auf dem sie so gern gelegen waren.
Ihr
Stein – aber von der Stelle aus, bis zu der sie trotz einiger Kratzer, die sie dafür in Kauf nahmen, vorgedrungen waren, konnten sie ihn noch immer nicht sehen.
    Sie umarmten einander trotzdem, sozusagen zum Trost. Aber es blieb eine relativ keusche Umarmung. Und das fand Julia auch ganz in Ordnung. Erstens war in diesem Dickicht, in dem man sich außer Kratzern auch noch Zecken holen konnte, ohnehin nicht im Ernst an Sex zu denken, und zweitens war der richtige Augenblick dafür eben noch nicht da.
2
    Auf der Piazza trafen sie Nino, den
postino
.
Ma come mai
, sagte er, ist es die Möglichkeit?
Auguri!
Sie sehen ja beide blendend aus! Der Signore vielleicht etwas – er suchte nach einem Wort – seriöser, aber die Signora, wenn ich das sagen darf, wie ein schöner Sommertag!
    Was ihn betraf, war er auch nicht jünger geworden. Sein Haar war offensichtlich gefärbt, so schwarz, wie es früher nie gewesen war, und sein Gesicht war etwas eigenartig gerötet. Aber sonst war er beinahe ganz der Alte.
Posso offrire qualcosa?
Und schon standen sie wieder an der Theke der
Bar Centrale
.
    Er sei noch immer bei der Post, aber ja, auf einen wie ihn könne man dort nicht so leicht verzichten. Und Schiedsrichter sei er nach wie vor, selbstverständlich! Auch beim Fußballverband wisse man, was man an ihm habe. Unlängst habe er sogar eine
partita
der Serie B gepfiffen.
    Und Sie?, sagte er. Geht auch bei Ihnen alles gut voran? Wo leben Sie denn zusammen? In Turin? Oder in Wien? Sie haben inzwischen sicherlich schöne Kinder.
    Ja, sagte Julia, aber nicht miteinander.
    Im
Alimentari
-Laden stand noch immer
Il veloce
, wie es sich gehörte. Die Begrüßung mit ihm war sehr herzlich, er kam sogar hinter dem Verkaufspult hervor, um Marco und Julia zu umarmen. Dabei war er allerdings ein wenig behindert, denn er hatte einen bandagierten und
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