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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly
Autoren: Peter Heinisch
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Absichten ...
    Er könne sich vorstellen, sagte Marco, dass Fantini Miss Molly einen richtigen Heiratsantrag gemacht habe. Und das war, musste Julia zugeben, tatsächlich eine interessante Vorstellung. Sie war versucht, darauf einzugehen. Wann könnte das gewesen sein? Natürlich noch vor dem Krieg, darüber waren Marco und sie sich einig.
    Am ehesten zu der Zeit, als Miss Molly schon Ex-Gouvernante, aber noch zureichend jung war. Also sagen wir, Anfang der Dreißigerjahre. Das war auch die Zeit, zu der das Hotel florierte. Das Hotel, in dem damals noch Fantini senior der Chef war, aber der Sohn würde das Hotel in absehbarer Zeit übernehmen und damals sah es noch aus wie eine Goldgrube.
    Wie Fantini also eines Tages vor dem Mauerhaus steht, der junge Fantini in seinem besten Anzug. Die Haare pomadisiert, den Schnurrbart, der damals in Mode war, frisch gestutzt, ein Stecktuch in der Sakkotasche ... Und weiter? Julia war drauf und dran, auf Marcos Anregung einzugehen und sich diese Szene, gemeinsam mit ihm, weiter auszumalen. Aber dann rief sie ihre Fantasie, die schon halb und halb in dieses neue Fantasiespiel eingewilligt hatte, gewissermaßen zurück.
    Nein, sie würde sich auch dadurch nicht so ohne weiteres verführen lassen. Das war doch auch ein Versuch, sie herumzukriegen.
    Was ist, sagte Marco. Was hast du? Tun wir nicht weiter?
    Vielleicht ein andermal, sagte Julia. Jetzt fühle sie sich ein bisschen müde.
3
    Zwei Tage vor der Sonnenfinsternis wurde Marco nervös. Das hing weniger damit zusammen, dass ihn das bevorstehende Ereignis eigenartig erregte, was Julia nach wie vor nicht recht verstand, als damit, dass er die Schutzbrillen, die er sich zur Beobachtung des Phänomens längst besorgt hatte, nicht hier in San Vito hatte, sondern in Mailand. Bereits in den Koffer für Rumänien gepackt, wohin er aber dann eben nicht geflogen war. Dadurch dass er vorher nach Pisa und dann von Pisa nach San Vito gefahren war, und dadurch dass er hier das Mauerhaus gemietet und dann Julia angerufen hatte, und dadurch dass Julia dann wirklich gekommen war, sei alles ein wenig durcheinandergeraten.
    Du wirst doch nicht sagen wollen, dass du es jetzt schon bereust, sagte sie.
    Unsinn, sagte er. Natürlich bereue er das nicht. Das mit den Brillen im Koffer sei aber zu dumm! Er habe sogar zwei Paar Brillen eingepackt gehabt.
    Mit dieser Bemerkung hatte er sich offenbar verplappert.
    Aha, sagte Julia, wen hast du denn mitnehmen wollen?
    Diese Frage überhörte er lieber. Und sie war klug genug, sie nicht zu wiederholen.
    Jedenfalls müssten sie sich solche Brillen besorgen, sagte er.
È una cosa da non sottovalutare
. Eine Angelegenheit, die man nicht unterschätzen dürfe. Er sei schließlich Augenarzt. Er wisse Bescheid über die Gefahren.
    Die Beobachtung des Phänomens ohne entsprechenden Schutz könne schwere Schäden verursachen. Ja, sie könne zu einer irreversiblen Erblindung führen. Das Auge sei sonnenhaft, so viel sei schon wahr. Aber gerade der Konfrontation mit der fast schwarzen Sonne respektive der im Zuge einer Sonnenfinsternis besonders intensiv strahlenden Sonnensichel sei es nicht gewachsen.
    Julia kam das alles ein bisschen übertrieben vor. Was sie betreffe, sagte sie, müsse sie das Phänomen auch gar nicht beobachten.
    Aber Julia, sagte er. Das kann doch nicht dein Ernst sein! Die nächste Gelegenheit, so etwas von Zentraleuropa aus zu sehen, ergibt sich erst im Jahr 2081!
    Falls die Welt dann noch steht, scherzte Julia. Natürlich war im Zusammenhang mit der angekündigten Sonnenfinsternis auch Nostradamus wieder einmal ins Gespräch gekommen. Julia hatte an sich nur eine vage Idee von dessen Prophezeiungen. Aber eine Klientin hatte sie eine Therapiestunde lang damit genervt.
    Im Jahr 1999 im siebenten Monat
    wird am Himmel ein großer Schreckenskönig erscheinen.
    Der siebente Monat ist allerdings schon vorbei, hatte Julia gesagt.
    Na ja, hatte die Klientin gemeint. Vielleicht hat sich der Mann bloß um einen Monat geirrt.
4
    Wie sich herausstellte, waren die Brillen, die den entsprechenden Schutz geboten hätten, in San Vito nicht zu bekommen. Es gab einen Durchlässigkeitsfaktor für UV-Licht, den solche Brillen oder Filter auf keinen Fall unterschreiten durften. Dieser Durchlässigkeitsfaktor war ungefähr doppelt so hoch wie jener der Modelle, die in den kleinen Geschäften des Ortes angeboten wurden. Über den Vorschlag, je zwei Paar davon aufzusetzen, schüttelte Marco nur den Kopf.
    Sie fuhren
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