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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien
Autoren: Agatha Christie
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Wort. Er und Mr Reiter waren Amerikaner. Mrs Mercado konnte ich kaum ansehen, da ich immer, wenn ich zu ihr hinsah, feststellen musste, dass sie mich merkwürdig anstarrte, was mich, gelinde gesagt, unangenehm berührte. Es war, als sei eine Krankenschwester ein wildes Tier. Mrs Mercado hatte keine Manieren!
    Sie war noch jung, höchstens fünfundzwanzig, hatte schwarze Haare und wirkte irgendwie ausgehungert, wenn Sie verstehen, was ich meine. Eigentlich war sie ganz hübsch, aber meine Mutter hätte von ihr gesagt: «Sie hat bestimmt Negerblut.» Der Pullover, den sie trug, war sehr bunt, und ihre Nägel waren lackiert. Sie machte einen begierigen Eindruck, hatte ein dünnes, vogelartiges Gesicht, große Augen und einen misstrauischen schmalen Mund.
    Der Tee war ausgezeichnet – eine gute, starke Mischung, nicht der schwarze China-Aufguss, den Mrs Kelsey stets verwendete und der eine wahre Heimsuchung für mich gewesen war.
    Es gab Toast und Marmelade und eine Platte mit Buttergebäck und einen Cake. Mr Emmott war immer höflich darauf bedacht, mir wieder eine Schüssel zu reichen, sobald mein Teller leer war.
    Auf einmal kam Mr Coleman hereingeplatzt und setzte sich Miss Johnson gegenüber. Seine Nerven schienen in keiner Weise angegriffen zu sein, er sprach unaufhörlich. Mrs Leidner seufzte einmal tief und warf ihm einen unwilligen Blick zu, doch ohne Erfolg. Es störte ihn auch nicht, dass Mrs Mercado, an die er sich hauptsächlich wandte, viel zu sehr damit beschäftigt war, mich zu beobachten, und ihm kaum antwortete.
    Gerade als wir unsern Tee getrunken hatten, kamen Dr. Leidner und Mr Mercado vom Ausgrabungsplatz.
    Dr. Leidner begrüßte mich in seiner freundlichen Art. Ich sah, dass er einen besorgten Blick auf seine Frau warf und offenbar mit ihrem Aussehen zufrieden war. Dann nahm er am anderen Ende des Tisches Platz, während Mr Mercado sich neben Mrs Leidner setzte. Er war ein melancholisch dreinblickender, hagerer großer Mann, wesentlich älter als seine Frau, hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe und einen weichen, dünnen Bart. Ich war froh, dass er da war, denn nun hörte seine Frau auf, mich anzustarren, und wandte ihre Aufmerksamkeit ihm zu. Sie betrachtete ihn ängstlich, während er träumerisch in seinem Tee rührte und überhaupt nichts sagte; ein Stück Kuchen lag unangetastet auf seinem Teller.
    Gerade stellte ich fest, dass noch ein Platz leer war, als sich schon die Tür öffnete und ein Mann eintrat: Mr Richard Carey. Auf den ersten Blick fand ich, dass er einer der bestaussehenden Männer war, den ich seit langem gesehen hatte – und dennoch bezweifle ich, dass mein Eindruck richtig war. Zu sagen, ein Mann sehe gut aus, und gleichzeitig zu behaupten, er habe einen Totenschädel, scheint ein glatter Widerspruch zu sein, doch bei ihm stimmte es. Sein Kopf sah aus, als sei die Haut straff über die Knochen gespannt – aber es waren wunderschöne Knochen. Die Linien der Backenknochen, der Schläfen und der Stirn waren so scharf umrissen, dass er an eine Bronzestatue gemahnte. Und aus diesem mageren braunen Gesicht leuchteten die glänzendsten dunkelblauen Augen, die ich je gesehen habe. Er war etwa einen Meter achtzig groß und wahrscheinlich noch nicht ganz vierzig Jahre alt.
    Dr. Leidner stellte vor: «Mr Carey, unser Architekt… Schwester Leatheran.»
    Er murmelte einige unverbindliche Worte und setzte sich neben Mrs Mercado.
    «Es tut mir Leid, der Tee ist schon kalt geworden, Mr Carey», sagte Mrs Leidner.
    «Oh, das macht nichts, Mrs Leidner», erwiderte er. «Es ist meine Schuld, dass ich zu spät komme. Ich wollte noch die Pläne der neuen Gräben fertig stellen.»
    Mrs Mercado fragte: «Etwas Marmelade, Mr Carey?»
    Mr Reiter reichte ihm den Toast.
    Ich musste an Major Pennyman denken: «Ich kann nur sagen, dass sie sich die Butter etwas zu freundlich reichen.»
    Irgendetwas war merkwürdig…
    Man hätte sie für eine Gesellschaft halten können, die gerade erst zusammengekommen war, nicht aber für Menschen, die einander gut kannten, zum Teil schon seit Jahren.

6
     
    N ach dem Tee erhob sich Mrs Leidner, um mir mein Zimmer zu zeigen.
    Am besten beschreibe ich bei dieser Gelegenheit die Anlage des Hauses:
    Von der an der Südseite des Hofes gelegenen großen Veranda führten Türen in die zwei Haupträume; die rechte zum Esszimmer, wo wir Tee getrunken hatten, die andere zum ebenso großen Wohnzimmer, das häufig auch als Arbeitsraum benutzt wurde, namentlich zur Anfertigung
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