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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien
Autoren: Agatha Christie
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können eine glückliche Ehe führen.
    Und dann, nach fast zwei Jahren, kommen auf einmal wieder Briefe.
    Warum? Ich glaube es zu wissen: Weil die Drohung in den Briefen immer eine wahre Drohung war; und darum hatte Mrs Leidner auch solche Angst. Sie kannte die liebevolle, aber gleichzeitig grausame Natur ihres Frederick nur zu gut. Wenn sie einem anderen Mann als ihm gehört, wird er sie töten. Und sie hatte sich Richard Carey hingegeben.
    Als Dr. Leidner das entdeckt, setzt er ruhig und kaltblütig den Mord in Szene.
    Sie sehen jetzt, welche wichtige Rolle Schwester Leatheran spielte. Warum engagierte Dr. Leidner sie? Mir war das zunächst ein Rätsel. Eine tüchtige, zuverlässige Krankenschwester konnte bestätigen, dass Mrs Leidner, als ihre Leiche gefunden wurde, bereits über eine Stunde tot war, der Mord also zu einer Zeit verübt wurde, da jeder bezeugen konnte, dass ihr Gatte sich auf dem Dach aufgehalten hatte. Es hätte auch der Verdacht auftauchen können, dass er sie getötet hatte, als er ihr Zimmer betrat… doch das stand außer Frage, wenn eine Krankenschwester sofort bezeugen konnte, dass Mrs Leidner bereits über eine Stunde tot war.
    Jetzt wird auch die merkwürdige Spannung klar, die hier im Hause herrschte. Von Anfang an konnte ich nicht glauben, dass sie lediglich auf Mrs Leidners Einfluss zurückzuführen sei. Jahrelang hatte diese Gesellschaft in bester Kameradschaft gelebt. Meiner Meinung nach hängt die Stimmung stets von der leitenden Persönlichkeit ab. Doktor Leidner ist eine starke Persönlichkeit, und ihm war es zu verdanken, dass bei den Ausgrabungen jeweils eine so gute Atmosphäre geherrscht hatte.
    Eine Änderung dieses Zustandes musste also von Doktor Leidner ausgehen, und so war er und nicht Mrs Leidner für die herrschende Spannung und Unsicherheit verantwortlich. Der nach wie vor äußerlich freundliche, liebenswürdige Dr. Leidner spielte nur noch Komödie, denn in Wirklichkeit war er ein Besessener, der einen Mord plante.
    Und jetzt kommen wir zu dem zweiten Mord, dem an Miss Johnson. Beim Ordnen von Dr. Leidners Papieren muss sie im Büro den Entwurf eines anonymen Briefes gefunden haben.
    Bestimmt war das für sie unverständlich, sie war bestürzt, denn es stimmte also: Dr. Leidner hatte seine Frau bewusst in Schrecken versetzt. Sie kann es nicht begreifen, sie ist außer sich, ist todunglücklich. In dieser Stimmung findet Schwester Leatheran sie, in Tränen aufgelöst.
    Ich glaube nicht, dass Miss Johnson sofort Verdacht hegte, Dr. Leidner sei der Mörder, aber sie hat meine Experimente nicht vergessen, sie weiß, was man von Mrs Leidners und Pater Lavignys Zimmer aus hören kann. Ihr wird klar, dass, als sie Mrs Leidners Schrei hörte, das Fenster ihres Zimmers offen gewesen sein muss. Ihre Gedanken arbeiten weiter, kommen der Wahrheit immer näher. Vielleicht macht sie Dr. Leidner gegenüber eine Bemerkung über die Briefe, und er fürchtet sich nun auf einmal vor ihr.
    Und dann, als Miss Johnson an jenem Spätnachmittag auf dem Dach steht, erkennt sie blitzartig die Wahrheit: Mrs Leidner war von oben her, vom Dach aus, ermordet worden, durch das offene Fenster.
    In diesem Augenblick kommt Schwester Leatheran zu ihr. Miss Johnson will nicht, dass die Schwester etwas von der entsetzlichen Entdeckung erfährt. Sie schaut absichtlich in die entgegengesetzte Richtung, weigert sich, etwas zu sagen, will sich die Angelegenheit erst durch den Kopf gehen lassen.
    Und Dr. Leidner, der sie ängstlich beobachtet, wird es klar, dass sie die Wahrheit erkannt hat. Sie ist nicht die Frau, die ihr Entsetzen und ihren Abscheu verbergen kann.
    Bisher hat sie ihn nicht verraten, aber wie lange kann er sich noch auf sie verlassen?
    Mord wird zur Gewohnheit! Am Abend vertauscht Doktor Leidner die Gläser auf ihrem Nachttisch. Vielleicht wird man glauben, sie habe Selbstmord begangen. Vielleicht entsteht sogar der Verdacht, sie habe den ersten Mord begangen und sei von Gewissensbissen gequält worden. Um diesen Verdacht zu stärken, holt er den Mühlstein vom Dach und legt ihn unter ihr Bett.
    Und so ist alles geklärt, alles passt in den Rahmen… vom psychologischen Standpunkt aus stimmt alles. Aber es fehlt der Beweis… wir haben keinen Beweis …»
    Ale schwiegen. Wir waren vor Entsetzen erstarrt… und auch vor Mitleid.
    Dr. Leidner hatte sich weder bewegt noch gesprochen. Er saß da, wie er die ganze Zeit über dagesessen war, ein müder, gebrochener alter Mann.
    Schließlich
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