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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien
Autoren: Agatha Christie
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widerstehen. Das ist der Grund seiner nervösen Spannung: Er fühlte sich zwischen zwei Leidenschaften hin und her gerissen. Er liebte Louise Leidner, aber er hasste sie auch. Er hasste sie, weil er um ihretwillen seinen Freund betrog. Ein Mann hasst nichts so sehr, als wenn er gegen seinen Willen zu einer Frau in Liebe entbrennt.
    Hier sind also alle Motive, die ich brauche. Ich bin überzeugt dass es Momente gab, da Richard Carey am liebsten der Frau, die ihn betört hatte, mit aller Wucht in ihr schönes Gesicht geschlagen hätte.
    Ich war die ganze Zeit über der Ansicht, dass es sich hier um ein crime passionel handelt, und in Mr Carey hatte ich den idealen Mörder für ein solches Verbrechen gefunden.
    Nun bleibt noch ein Kandidat auf der Mörderliste: Pater Lavigny. Er zog sogleich meine Aufmerksamkeit auf sich, weil er den Mann, der hier in ein Fenster geschaut hatte, so ganz anders beschrieb als Schwester Leatheran. Zeugenaussagen weichen stets voneinander ab, doch nie so völlig wie in diesem Fall. Vor allem bestand Pater Lavigny auf einem Charakteristikum, nämlich auf dem Schielen. Bald war mir klar, dass Schwester Leatherans Beschreibung die Richtige sein müsse, dass also Pater Lavigny bewusst eine falsche Angabe machte, damit der Mann nicht gefasst werde.
    In diesem Fall aber musste er von diesem verdächtigen Subjekt etwas wissen. Man hat ihn mit ihm sprechen sehen, weiß aber nur von ihm selbst, was er gesprochen hat. Was tat der Iraker im Moment, als Schwester Leatheran und Mrs Leidner ihn sahen? Er versuchte, durch ein Fenster zu schauen… durch Mrs Leidners Fenster, wie die Damen dachten, aber mir wurde bald klar, als ich die Stelle prüfte, dass er ebenso gut durch das Fenster des Antiquitätenzimmers geschaut haben konnte.
    In der darauf folgenden Nacht wurde Alarm geschlagen: Jemand sei im Antiquitätenzimmer. As Dr. Leidner dazukam, war Pater Lavigny bereits dort und erklärte, er habe ein Licht gesehen; wieder haben wir aber nur seine eigene Aussage dafür.
    Ich begann, mich für Pater Lavigny zu interessieren. Kannte jemand von der Expedition den bekannten Assyrologen und Inschriftenkenner vom Orden der Pères Blancs in Karthago persönlich? Augenscheinlich nicht. Ich stellte fest, dass ein Telegramm nach Karthago geschickt worden war, weil Dr. Byrd, der ursprünglich die Expedition begleiten sollte, erkrankt war. Was gibt es leichteres, als ein Telegramm abzufangen? Da es bei der Expedition keinen Inschriftenkenner gab, konnte sich ein geschickter Mann mit geringem Wissen durch Bluff ziemlich lange halten. Zudem wurden nur wenige Keilschrifttafeln gefunden, und, wie ich hörte, erregten die Resultate von Pater Lavignys Entzifferungen einiges Staunen. So kam ich zu dem Schluss, dass der Pater ein Betrüger sei.
    War er Frederick Bosner?
    Anscheinend nicht, und allmählich stellte sich etwas ganz anderes heraus. Ich unterhielt mich ausführlich mit dem Pater. Ich bin praktizierender Katholik und kenne viele Ordens- und Weltgeistliche, und er schien mir gar nicht in diesen Rahmen zu passen. Mit Menschen vom Schlage des Pater Lavigny habe ich schon häufig zu tun gehabt, sie gehören einem ganz anderen Stande als dem geistlichen an. Und so begann ich, Kabel in die Welt zu schicken.
    Dann gab mir Schwester Leatheran, ohne es zu wissen, den Schlüssel. Wir betrachteten im Antiquitätenzimmer die goldenen Gefäße und die andern Kostbarkeiten, und da erwähnte sie eine Wachsspur an einer goldenen Schale. Ich fragte: ‹Wachs?› und Pater Lavigny fragte ebenfalls: ‹Wachs?› Sein Ton verriet alles. Ich wusste auf einmal, was er hier tat.»
    Poirot hielt einen Augenblick inne und sagte dann zu Dr. Leidner: «Ich muss Ihnen leider eine betrübliche Mitteilung machen, dass der goldene Becher, der goldene Dolch, die Haarspangen und einige andere Gegenstände nicht diejenigen sind, die Sie ausgegraben hatten, sondern sehr geschickte Nachahmungen. Unser Pater Lavigny ist, wie ich soeben durch die letzte Antwort auf meine Telegramme erfahren habe, kein anderer als Raoul Menier, einer der gerissensten Diebe, die die französische Polizei kennt. Seine Spezialität sind Museumsdiebstähle, er hat einige sehr bemerkenswerte auf dem Kerbholz, unter anderem einen ganz großen im Louvre von Paris. Er arbeitet mit Ali Yusuf, einem erstklassigen Goldschmied, zusammen.
    Wie man mir mitteilt, bereitete Menier gerade einen Diebstahl bei den Pères Blancs in Karthago vor, als Ihr Telegramm eintraf. Der echte Pater
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