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Everybodys Darling, Everybodys Depp

Titel: Everybodys Darling, Everybodys Depp
Autoren: Irene Becker
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|7| Einleitung

    Es war einmal vor langer Zeit, da waren die Machtverhältnisse in Paarbeziehungen noch klar definiert, und Emanzipation war nichts weiter als ein Fremdwort. Dazu sei ein Artikel aus der britischen Zeitschrift
Housekeeping Monthly
, Ausgabe vom 13. Mai 1955, zitiert:
    »Anleitung für die gute Ehefrau
Hören Sie ihm zu. Sie mögen ein Dutzend wichtiger Dinge auf dem Herzen haben, aber wenn er heimkommt, ist nicht der geeignete Augenblick, darüber zu sprechen. Vergessen Sie nicht, dass seine Gesprächsthemen wichtiger sind als Ihre.
Der Abend gehört ihm. […] Versuchen Sie, seine Welt voll Druck und Belastungen zu verstehen.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Zuhause ein Ort voller Frieden, Ordnung und Behaglichkeit ist, wo Ihr Mann Körper und Geist erfrischen kann.
|8| Begrüßen Sie ihn nicht mit Beschwerden und Problemen.
Beklagen Sie sich nicht, wenn er spät heimkommt oder selbst wenn er die ganze Nacht ausbleibt. Nehmen Sie dies als kleineres Übel, verglichen mit dem, was er vermutlich tagsüber durchgemacht hat. […]
Denken Sie daran: Er ist der Hausherr, und als dieser wird er seinen Willen stets mit Fairness und Aufrichtigkeit durchsetzen. Sie haben kein Recht, ihn infrage zu stellen.
Eine gute Ehefrau weiß stets, wo ihr Platz ist.«
    Mittlerweile ist gut ein halbes Jahrhundert vergangen, seit diese wohl gemeinten Ratschläge für die perfekte Ehefrau veröffentlicht wurden. Und doch scheint es so, als hätte die moderne, selbstbewusste und gleichberechtigte Frau des 21. Jahrhunderts etliche dieser Verhaltensregeln noch immer verinnerlicht. Geduldig lauscht sie den Ausführungen ihres Partners und stellt das eigene Redebedürfnis zurück. Lieber beißt sie sich auf die Zunge, als in einer Diskussion standhaft ihre Meinung zu vertreten und zu riskieren, dass das Gespräch in einen Streit ausartet. Innerlich tobend räumt sie stillschweigend zum tausendsten Mal die schmutzige Wäsche hinter dem Lebensgefährten her. Ihn zu stark zu beanspruchen, hieße, den Haussegen in eine unerwünschte Schieflage bringen.
    In der U-Bahn toleriert sie, dass der Sitznachbar mit der Bierfahne seinen Schenkel unangemessen eng an sie drückt. Sie schluckt es herunter, dass der Chef die Gehaltserhöhung einem unerfahrenen männlichen Mitarbeiter zuspricht, obwohl längst sie an der Reihe wäre. Und sie beschwert sich nicht, wenn der Nachbar nachts wieder einmal lautstark Punkmusik hört. Auch ihren Geschlechtsgenossinnen gegenüber verhält sich die starke Frau dieser Tage häufig wie ein sanftes Schaf. Kritisiert Sie Ihre angeblich beste Freundin auch ständig? »Findest du diese Kombination nicht etwas zu figurbetont?« Oder andersherum: Das Outfit Ihrer Bekannten sitzt peinlich bis vulgär eng, Sie aber sagen nichts, um |9| keine Auseinandersetzung zu provozieren. Ihre Schwiegermutter lädt sich jedes Wochenende unaufgefordert zum Essen ein, ohne ein einziges Mal zu fragen, ob Sie eigene Pläne haben? Sie stellen sich an den Herd und zaubern ein Dreigängemenü – insgeheim in der blutrünstigen Vision schwelgend, wie der alte Drachen an den Hühnerbeinen erstickt. Die faule Kollegin bittet Sie zum wiederholten Mal, ein paar Unterlagen für den Chef zu kopieren, weil sie auf ein »mega-wichtiges« Meeting muss? Sie dackeln zum Kopierer und fragen sich, ob Sie für diese Handlangerarbeiten Ihren Doktortitel haben erwerben müssen – und ob hierzulande wirklich die meisten Morde unentdeckt bleiben. Die Nachbarin nervt Sie mit aufdringlichen Fragen zu Ihrem Herrenbesuch neulich Abend? Sie fühlen sich bemüßigt, ihr zu erklären, das sei nur ein Kollege gewesen, mit dem Sie eine Präsentation vorbereiten mussten. Warum wünschen Sie ihr eigentlich keinen guten Tag und zeigen ihr, dass sie das wahrlich nichts angeht? Ihre Eltern halten es für selbstverständlich, dass Sie immer noch alle Weihnachts- und Osterfeste bei ihnen verbringen, obwohl Sie längst eine eigene Familie haben. Jedes Jahr verwerfen Sie die eigenen Wünsche und traben mit Sack und Pack an, damit bloß die Familienharmonie gewahrt bleibt.
    Sind wir also immer noch das schwächere Geschlecht – sanftmütig, hilfsbereit, verzeihend, aufopfernd, duldsam, harmoniebedürftig? Es gibt tatsächlich viele Beispiele, die einen das vermuten lassen. Zu oft geben Frauen nach, setzen sich nicht durch, machen keinen Gebrauch von ihrer Willenskraft.
    Nach wie vor scheint es vielen Frauen schwer zu fallen, ihre innere Stärke im Umgang mit
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