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Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Karolina Halbach
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P ROLOG
    Der Anblick der Frau mit den hohlen Wangen und der fiebrig feuchten Stirn trieb ihm die Tränen in die Augen. Er wusste, dass sich diese sentimentalen Gefühle für einen angehenden Ritter nicht gehörten, deshalb versuchte er, den Druck in seiner Brust, dieses Gefühl, nicht mehr atmen zu können, auf den Weihrauch zu schieben. In Schwaden, für die ein eilfertiger Burgkaplan mit weit schwingenden Bewegungen sorgte, waberte er durch das Zimmer. Fast ein wenig ärgerlich fuhr sich der Junge mit dem Handrücken übers Gesicht, während er sich ermahnte, bloß keine Schwäche zu zeigen, schon gar nicht vor diesem Kerl, den man seiner Mutter nach dem Tod des geliebten Vaters zum Gatten gegeben hatte. Der Sohn richtete sich auf und straffte die Schultern. Breitbeinig stand er da, die Hand am Gürtel – ganz so, wie es sich für einen Adelsherrn gehörte, der dazu ausersehen war, sein Glück im Kampf zu suchen.
    Seine Mutter lächelte stolz, und er wartete geradezu darauf, dass sie sich aufrichtete und ihn in ihre Arme schloss. Stattdessen hob sie die Hand. Ihr zittriger Zeigefinger krümmte sich. Er trat näher, bis seine Knie den grob gezimmerten Holzrahmen ihres Lagers berührten. Sie tastete nach seiner Hand, fand sie und zog ihn zu sich herab. Ihr heißer Atem ließ ihn an den Feuerdrachen denken, der ihr Familienwappen zierte.
    »Mein Sohn«, flüsterte sie. Ihre Stimme war schwach, aber voller Liebe. Für einen Moment schloss sie die Augen, um ihre Kräfte zu sammeln. Auf andere mochte es wirken, als wollte sie schlafen. Er jedoch kannte sie besser. Sie hatte etwas Bedeutsames zu sagen. Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Wort e.
    Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter. Ärgerlich fuhr er herum und sah direkt in die dunklen Augen seines Stiefvaters.
    »Genug jetzt«, blaffte dieser barsch. »Sie muss dem Kind noch die Brust geben. Es braucht die erste Milch seiner Mutter, damit es überleben kann. Komm morgen wieder.«
    Jans Hand fuhr unwillkürlich zum Gürtel, wo das stählerne Jagdmesser seinen Platz hatte. Der Kerl schaffte es sogar, ihn am Sterbebett seiner Mutter zu provozieren. Doch diesmal würde er sich zu nichts hinreißen lassen, und so zischte der Junge nur leise: »Es würde noch zahllose Morgen für sie geben, hättet Ihr nicht darauf bestanden, dass sie Euch einen Sohn schenkt, obwohl Ihr doch bereits zwei von Eurer ersten Frau habt. Jetzt siecht sie für diesen nutzlosen Spross dahin.«
    »Das ist die Buße, die Gott der Herr den Töchtern Evas für ihre Sünde auferlegt hat.«
    »Pah! Das da ist nicht der Wille Gottes, sondern das Resultat Eurer Wollust, Stiefvater. Warum habt Ihr Euch keine junge Magd gesucht, wenn es Euch in den Lenden juckt, so wie es mein Vater tat, nachdem er sah, wie sehr die Geburt eines Kindes sie quälte. Meine Mutter wird Euch für Eure Selbstsucht anklagen, wenn Ihr einst Eurem Schöpfer gegenübertretet. In der Hölle sollt Ihr schmoren!«
    »Lästert dem Herrn nicht, Knabe«, mahnte der Burgkaplan.
    Jan schnaufte verächtlich. Dann trat er wieder an das Lager seiner Mutter, beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf die Stirn. Ihre Lider hoben sich, und einen Herzschlag lang fanden sich ihre Blicke in Zärtlichkeit.
    Ihre Hand tastete nach seiner, und Jan spürte, wie sie seine Finger um einen glatten, runden Gegenstand schloss. » Ich habe dir nicht viel zu hinterlassen, mein Junge«, hauchte sie fast unhörbar. »Doch nimm diesen Ring. Ich habe ihn einst von deinem Vater in Liebe empfangen. Gib ihn weiter an die Eine, die Besondere.«
    »Wie werde ich sie erkennen, Mutter?«, flüsterte er.
    »Du wirst es wissen, Sohn, wenn du ihr begegnest, denn sie wird dein Herz berühren.«
    Jan nickte leicht und ballte die Hand zur Faust.
    »Geh jetzt, und überlasse mich meinem Schicksal.«
    Ein letztes Mal küsste er ihre Hand, führte sie an seine Wangen und ließ sie dann sanft zurück aufs Lager gleiten. Als er sich zur Tür umdrehte, wartete dort bereits die Hebamme mit einem rotgesichtigen Säugling, der schwache, schmatzende Laute von sich gab.

P RAG 1417

K APITEL 1
    Die Märzsonne meinte es an diesem Tag besonders gut mit der Goldenen Stadt. Sanft vertrieb sie die letzten Schneereste von den Dächern und ließ sie als Wassertropfen wie funkelnde Sterntaler zu Boden fallen. Wer keinen nassen Kragen bekommen wollte, war gut beraten, sich von den Hauswänden fernzuhalten, was im Gedränge Prags kein einfaches Unterfangen war, vor allem, da man
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