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Everybodys Darling, Everybodys Depp

Titel: Everybodys Darling, Everybodys Depp
Autoren: Irene Becker
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den Frauen arrangiert.) Das Gegenmodell, in dem die Frau selbstbewusst, stark und autark ist, ruft anscheinend das völlig überzogene Bild der Feuer speienden, streitsüchtigen Emanze hervor. Und das nicht nur bei Männern. Für manche Frauen scheint dieses Horrorbild mangels positiver Vorbilder die einzige Alternative zur demütigen Sanftmut zu sein. Es ist so abschreckend für sie, dass sie lieber die Nachteile der |23| Harmoniesucht in Kauf nehmen, als zu solch einem Ungeheuer zu mutieren.
    Diese (frühkindlichen) Prägungen haben wir in unterschiedlichem Ausmaß verinnerlicht und oft nicht bewusst hinterfragt. Wir agieren nach diesen Mustern, auch wenn wir heute erwachsen sind, für uns selber sprechen und einstehen können. Solche und ähnliche inneren Antreiber lassen uns immer wieder in die Harmoniefalle tappen:
Gefalle den anderen!
Sei nett!
Nimm Rücksicht!
Sei kein Egoist!
Wer Nein sagt, macht sich unbeliebt!
Gib keinen Anlass zur Kritik!
    Helfersyndrom, Beißhemmung und das Fähnchen im Winde
    Neben den früh gelernten Faktoren Erziehung, Prägung und Erwartungen der Umwelt gibt es natürlich noch ein paar weitere, eher »selbst gemachte« Ursachen der Harmoniesucht. Eine mangelnde Lebens- oder Zielorientierung kann ebenso dazu führen, dass wir gemäß den Wünschen anderer agieren, weil uns unsere eigenen nicht klar genug sind. Gefragt, was man will, zuckt man mit den Schultern und lässt den anderen bestimmen. Fatal ist es allerdings, wenn einem das Ergebnis hinterher nicht gefällt.
    Oder der jedem Lebewesen angeborene Aggressionstrieb ist nur schwach ausgeprägt. Doch der ist absolut notwendig, um für unsere Interessen und Bedürfnisse einzustehen und unsere Unversehrtheit sowie unser Überleben zu garantieren. Wohlgemerkt, es geht hier nur um den gesunden Aggressionstrieb, der uns vor unrechtmäßigen Übergriffen anderer schützt und uns hilft, unsere |24| Grenzen deutlich zu machen. Sollte Ihnen Ihr Liebster einmal im Überschwang der Emotionen ein Veilchen verpassen wollen, wäre es angemessen, wenn Sie sich das mit genug Wehrhaftigkeit verbitten würden. Das gilt auch für andere Situationen: Nicht umsonst gibt es Selbstverteidigungskurse speziell für Frauen, in denen diese lernen, die selbst in Notsituationen stark ausgeprägte weibliche »Beißhemmung« zu überwinden.
    Auch das »Helfersyndrom« lässt Frauen in die Harmoniefalle treten. Durch die Hilfe für andere bekommt man das angenehme und beruhigende Gefühl, gebraucht zu werden: Stolz kann man sich sagen, dass das Kindergartenfest ohne das eigene Zutun ein einziges Chaos geworden wäre. Dadurch, dass man anderen beistehen kann, wird ganz nebenbei das eigene Selbstwertgefühl aufgepäppelt. Man fühlt sich dem Bedürftigen überlegen: Die hilflose Brigitte hätte ihre Scheidung nie verwunden, hätte man sie nicht permanent aufgerichtet.
    Passionierte Helfer und Helferinnen können übrigens ziemlich lästig werden, weil sie ihre Hilfe auch völlig unaufgefordert einbringen und sich dadurch in alles einmischen. Jeder kennt solche Situationen. Wehrt man sich dagegen, bekommt man häufig ein weinerliches »Aber ich habe es doch nur gut gemeint!« zu hören – einer der destruktivsten Sätze, die es gibt.
    Weitere Kandidaten für die unfreiwillige »Überharmonie« sind stark emotional geprägte Menschen. Ihnen fällt es schwer, Situationen auch einmal leidenschaftsloser, distanzierter, logischer zu betrachten. Wenn auch Sie zu den empathischen Zeitgenossen gehören, sind Sie übermäßig schnell bereit, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Bei beleidigten oder enttäuschten Reaktionen suchen Sie die Schuld dann schnell bei sich selbst.
    Bei allem Verständnis für Ihr Verständnis: So verlieren Sie die Angemessenheit und Legitimität der Handlungen, Wünsche und Forderungen des anderen völlig aus den Augen. Kaum rollen bei Ihrem Gegenüber ein paar Krokodilstränen, akzeptieren Sie auch |25| schon unangemessene bis unverschämte Ansinnen. Hinterher fragen Sie sich entsetzt, warum Sie diesen oder jenen Wunsch nicht einfach abgeschlagen haben. Und so verbringen Sie einen grauenvollen Urlaub am Gardasee mit der neuen, nervigen Kollegin, weil die angeblich so einsam ist. Dabei hatten Sie sich so sehr auf den beschaulichen Strandurlaub in Griechenland gefreut.
    Ein weiterer fataler Mechanismus hält Frauen in der Harmoniefalle gefangen: Unglücklicherweise verknüpfen sie ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein mit dem
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