Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit 12 fühlt man ganz anders

Mit 12 fühlt man ganz anders

Titel: Mit 12 fühlt man ganz anders
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
Immer diese Familie

    „Rote Grütze!“ Fips zog das Wort wie ein Gummiband, seine Stimme bebte vor Begeisterung und Begierde.
    „Rote Grütze? Mitten im Winter?“
    Sein Zwillingsbruder Markus schleuderte im Flur die Gummistiefel von den Füßen und stürmte ebenfalls in die Küche.
    „Pfoten weg, die ist für morgen!“ sagte Katja streng, die der Mutter aufmerksam bei der Zubereitung der so beliebten Nachspeise zugesehen hatte, um es demnächst selber zu probieren.
    „Hm, das duftet!“ stöhnte Fips begehrlich.
    „Nach Himbeeren und Kirschen und... und...“ Markus zog hörbar die Luft durch die Nase.
    „Nach Johannisbeeren“, sagte Katja. „Hast du kein Taschentuch? Putz dir die Nase!“
    „Hab ich heute schon mal“, wehrte Markus ab und rührte sich nicht von der Stelle.
    „Warum gibt’s morgen rote Grütze?“ erkundigte sich Fips. „Weil Sonntag ist?“
    „Weil Tante Otti zu Besuch kommt“, klärte Mami die
    Jungen auf, „und weil meine rote Grütze Tante Ottis Lieblingsspeise ist. Ich möchte ihr eine Freude machen.“
    „Hoffentlich kriegt sie Bauchweh“, bemerkte Markus wenig rücksichtsvoll.
    „Von Mamis roter Grütze?“
    Katja zog empört die Augenbrauen hoch.
    „Nein! Natürlich vorher! Damit wir sie allein essen können!“
    „Du hast Nerven, Junge! Vorsicht, geht mal zur Seite, der Topf ist heiß! Leg bitte einen feuchten Lappen unter die Glasschüssel, Liebes, damit sie nicht zerspringt.“ Katja nahm schnell den Lappen. Dann beobachteten alle drei, wie Mami die dickflüssige, dampfende Masse aus dem Topf vorsichtig in die Schüssel füllte.
    „Ich will den Topf auslecken!“ krähte Fips.
    „Nein, ich! Du hast das letzte Mal!“ protestierte Markus.
    „Einer den Topf, einer den Kochlöffel. Hier!“
    Und ich? wollte Katja sagen. Ich hab dir die ganze Zeit geholfen und kriege nichts? Aber so war das eben. Sie war die Große, die Vernünftige. Zwar gehörte sie nicht zu den Erwachsenen, nein, das nun wirklich nicht, aber behandelt wurde sie so. Als ob sie sich nicht die ganze Zeit schon darauf gefreut hätte, den Topf auslecken zu dürfen. Natürlich tauchte in diesem Moment auch noch ihre Schwester Celia auf.
    „Was habt ihr da? Ich will auch was. Mami, warum kriege ich nichts?“
    „Das nächste Mal, Herzchen, es ist doch gar nicht soviel übrig. Mein Gott, ihr tut, als hätte ich euch drei Tage hungern lassen!“
    „Dann will ich was anderes. Wenigstens einen Keks!“
    Mami warf Katja einen Blick zu. Ein Glück, daß du so groß und vernünftig bist, sagte dieser Blick. Katja war ein bißchen versöhnt, aber wirklich nur ein bißchen. Drei jüngere Geschwister waren eine echte Landplage. Und sie sehnte sich nach nichts so sehr, wie danach, mit Mami allein zu wohnen, sie den ganzen Tag nur für sich zu haben, mit ihr über alles reden zu können.
    Vor einer Viertelstunde noch hatte es einen dieser kostbaren Augenblicke gegeben. In der Küche war es still gewesen, sie hatten nebeneinander am Herd gestanden; Mami hatte ihr die Zusammensetzung der Speise erklärt und erzählt, wie bei ihr zu Hause früher die rote Grütze zubereitet wurde: aus frischen Früchten, die aus dem eigenen Garten kamen, nicht aus fertigem Saft. Natürlich ging das nur im Sommer, aber wenn Mami davon erzählte, spürte Katja das kräftige Aroma der sonnenwarmen Früchte in der Nase und auf der Zunge. Sie sah das altmodische, verschnörkelte Haus mit den Türmchen und Erkern, bis unter das Dach mit Efeu bewachsen. Und den Garten, mit den von Buchsbaumhecken eingefaßten Beeten, den Sträuchern und Obstbäumen, die Wiese dahinter und den Fluß...
    Wenn Mami davon erzählte, war es, als täte sie es nur für Katja; als teilten sie ein wunderschönes Geheimnis: die Erinnerungen an ein Mädchen, das seinen Lieblingssitz in dem großen alten Apfelbaum gehabt hatte, von dem aus man auf den Fluß hinunterschauen und von fernen Ländern träumen konnte. Ihre Bücher hatte sie da mit hinaufgenommen und stundenlang geschmökert, so wie Katja es jetzt bei jeder Gelegenheit tat. Oft hatte sie ihren Zeichenblock und die Aquarellfarben mitgenommen.
    Stundenlang hätte Katja Mami zuhören können; sie wäre mit ihr durch das alte Haus spaziert, hätte das Knarren der Dielen gehört, den Schlag der großen Standuhr im Eßzimmer und das Gurren der Tauben auf dem Dach..., aber dann waren die Zwillinge mit ihrem Indianergeheul in die Küche gestürmt, und der Zauber war verflogen.
    „Brauchst du mich noch?“ fragte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher