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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten
Autoren: Jane Feather
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PROLOG
    Isle of Wight, Juni 1648
    Es war die dunkle Stunde vor dem Morgengrauen. Regen ergoss sich in einem ununterbrochenen Sturzbach über nasse Klippen und peitschte pfeilgerade das kochende, schaumgekrönte Meer. Im Kanal türmten sich hohe Wogen und umtosten St. Catherine's Point, um sich unter unerbittlich donnerndem Brausen an den schroffen Klippen zu brechen.
    Es war eine Nacht ohne Mond und Sterne. Immer wieder erhellten Blitze die Insel, die wie der Buckel eines Wals am Eingang zum Solent lag. Ihre Ebenen und Hügel waren dunkel vom Regen. Das melancholische Geläute der Glockenboje vor der Felsnase durchdrang das Heulen des Windes als Warnung für die Schiffe, die im aufgewühlten Kanal gegen den Frühsommersturm kämpften.
    Ein schmales Boot sackte tief in die Wellentäler ab. An den Riemen kämpften die Männer mit grimmigen Mienen darum, das kleine Gefährt am Kentern zu hindern. Sie näherten sich der Glockenboje, während das Boot in den Wellen verschwand, um immer wieder wie ein Stück Treibholz aufzutauchen. Vom Heck aus warf einer der Männer ein Tau um die Boje, zog das Boot Hand über Hand näher, bis es die schwankende Boje anstieß, deren rhythmisches Läuten der Glocke schier ohrenbetäubend das Tosen des Wassers, des Windes und des Regens übertönte.
    Niemand sagte ein Wort. Man hätte ohnehin nichts gehört, doch verstand man sich auch so. Die Ruder wurden eingeholt, während der Mann am Heck das Boot dicht an der Boje hielt und einer seiner Kameraden rasch und mit geschickten Händen ein dickes Tuch um den Glockenklöppel wickelte und den warnenden Ton erstickte.
    Sofort lösten sie sich von der Boje und hielten wieder auf die Küste zu. Während sie gegen Orkan und Gezeiten ruderten, hob einer die Hand und wies zum oberen Klippenrand. Ein flackerndes Licht flammte kräftig auf, ein Leuchtzeichen, das seine tödliche Botschaft in die sturmgepeitschte Nacht sandte.
    Bereitwillige Helfer wateten in die Brandung, um sie an Land, auf einen sandigen Strandstreifen zu ziehen. Die Männer zitterten in ihren durchnässten Sachen vor Kälte und tranken begierig aus den Flaschen, die ihnen zugeworfen wurden. Es mochten an die zwanzig Mann am Strand sein, dunkel gekleidete Gestalten, mit der Schwärze der Klippen verschmelzend, wie sie an die Felsen gedrückt dastanden und angestrengt hinaus auf das wogende Meer starrten, auf der Lauer nach ihrer Beute.
    Ein plötzliches helleres Aufflackern vom oberen Klippenrand, und sie bewegten sich wie ein Mann vor.
    Das Schiff kam aus der Dunkelheit, mit weißen Segeln, die zerfetzt und schlaff von den Masten hingen. Die geplagte Takelung krachte wie altes Gebein. Auf das Licht zuhaltend, das sichere Passage versprach, traf es mit grässlichem Krachen und Splittern auf die Felsen von St. Catherine's Point auf.
    Schreie erhoben sich und drangen durch den Sturm. Stoffbündeln gleich fielen Gestalten über steile, aufgerissene Schiffswände und verschwanden im brodelnden Hexenkessels des Meeres. Das Schiff knirschte wie eine Eierschale, und die Späher stürzten sich mit glänzenden Augen und unter lautem Triumphgeheul in die Brandung. Männer, Frauen und Kinder, die im Sog des sinkenden Schiffes zu ertrinken drohten und verzweifelt um Hilfe riefen, wurden mit Messern erstochen, mit zerbrochenen Spanten erschlagen. So wurde von Menschenhand vollendet, was die See nicht vermocht hatte.
    Kisten, Koffer und Körper wurden ans Ufer geschleppt, Tote ausgeraubt, Finger mit kostbaren Ringen abgeschnitten, feine Kleidungsstücke heruntergerissen. Das schmale Strandstück wurde Schauplatz eines wahnwitzigen, mörderischen Tanzes der Habgier.
    Uber ihnen stand am Klippenrand ein Mann nahe dem tückischen Leuchtfeuer, gegen den strömenden Regen eng in seinen Mantel gehüllt. Er blickte hinaus auf das zum Untergang verurteilte Schiff und lauschte lächelnd dem tödlichen Tumult, während seine Handlanger ihr Werk vollbrachten. In dieser Sturmnacht war es ihnen geglückt, reiche Beute auf die Klippen zu locken.
    Er drehte sich um und erstickte das Feuer. Wieder herrschte Dunkelheit. Nur die Geräusche des wahnsinnigen Treibens am Ufer vermengten sich mit Wind, Regen und dem Tosen des Meeres.
    Jenseits der Landzunge kämpfte draußen noch ein Schiff gegen den Sturm. Es trug keine Segel, und der Eigner stand am Steuer und hielt es gegen den Wind. Seine schlanke Gestalt bildete einen scharfen Gegensatz zu den ausgeprägten Muskelsträngen, zur Kraft seiner langen, schmalen
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