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Mord auf Widerruf

Mord auf Widerruf

Titel: Mord auf Widerruf
Autoren: Reginald Hill
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einer Tretmühle rennen und in seinem endlosen Bemühen ewig unten bleiben. Doch Gedankenfetzen trieben sein Gehirn an, ließen seine Beine immer weiterpumpen.
    … ihr Vater war Schotte und ging als junger Padre in den Wirren der Nachkriegszeit nach Malaya … ein Offizier, der eine Chinesin zur Frau nahm, vernichtete sich damals, vielleicht nicht nur damals, gesellschaftlich …
    Selbstvernichtung! Damit kannte er sich aus! Warum nur hatte er sich nicht mehr für Ellies Artikel interessiert? Warum hatte er sie nicht ermutigt, darüber zu sprechen?
    … nachdem Malaya unabhängig wurde, kehrte die Familie zurück nach Großbritannien … Reverend Graham erhielt eine ausgedehnte Pfarrei in West-Birmingham … was seine Pfarrkinder dachten, als sie die Frau ihres neuen Pfarrers kennenlernten, ist nicht überliefert …
    Plötzlich wurde es hell. Ein enger Absatz unterbrach die Treppenspirale, an dessen entferntestem Punkt sich ein kleines Spitzfenster öffnete, eigentlich kaum mehr als eine Schießscharte, aber sie ließ das gesegnete Gold der Sonne herein. Er stolperte darauf zu und sog die frische Luft ein. Die Öffnung war zu schmal und die Wand zu dick, als daß er einen Blick nach unten hätte werfen können, aber er konnte geradeaus über die Dächer der Stadt sehen und abschätzen, wie enttäuschend weit unten er noch war. Er wandte dem Licht den Rücken zu und stürzte sich erneut in die zeitlose, raumlose und hoffnungslose Helix.
    … im Internat begann sie mit der Schauspielerei … ihre größte Freude waren die Ferien, wenn sie mit ihren Eltern zum Zelten an die schottische Grenze fuhr, wo ihr Vater geboren war …
    Er kam zu der Überzeugung, daß das Ganze ein Alptraum war. Er war eigentlich gar nicht hier, sondern zu Hause, in seinem Bett, und ein letzter Tritt seines schmerzenden Beins würde ihn aus diesem schrecklichen Traum zurückkatapultieren in die vertraute Welt des warmen Federbetts und der weißen Vorhänge mit den blauen Blumensilhouetten, durch die das erste Licht des anbrechenden Morgens fiel. An seiner Seite würde Ellie liegen und leise atmen, so ordentlich und brav im Schlaf, wie sie zappelig und rebellisch im Wachen war, als würde ihre ganze angeborene Aufmüpfigkeit verschwinden, sobald sie die Augen schloß, und ein tiefsitzendes Verlangen nach Ordnung und Konformität an ihre Stelle treten. Ellie, deren Artikel für die Sondernummer er als erster hätte lesen sollen – war sie doch ausgewählt worden, damit er ihn als erster las!
    … sie war 18 und wollte gerade mit der Schauspielausbildung beginnen, als ihre Mutter starb. Der Vorschlag, den Namen ihrer Mutter anzunehmen, kam von ihrem Vater. ›Eileen Chung wird sich Dinge leisten können, die Eileen Graham nie wagen dürfte!‹ Aber, sagt Eileen Chung, sie wußten beide, daß es nicht nur eine Karriereentscheidung war. Es war ein Weg, die Existenz der Toten für sie beide zu verlängern …
    Wieder Licht! Er war dicht an der Oberfläche von Traum oder Wirklichkeit. Das Licht drang von oben herunter und wurde mit jedem Schritt seiner überanstrengten Muskeln heller. Irgendwo da oben stand eine Tür offen. Wohin führte sie?
    … mit 26, als ihr Vater starb, war sie am Boden zerstört. Mit der unerbittlichen Energie, deren Stempel sie allem aufdrückt, was sie unternimmt, stürzte sie sich in die Arbeit … Wie alt ist Eileen Chung? Ich fürchte, daß ich Ihnen das nicht verraten kann, denn das war der einzige Punkt, bei dem sich diese erfrischend freimütige und aufgeschlossene Frau zierte und die Antwort verweigerte! Und warum auch nicht? Alle, die sie kennen, sind sich einig darin, daß die Zeit bei jemandem, der eine so ausgeprägte Persönlichkeit, so talentiert und einzigartig ist wie Eileen Chung, ähnlich bedeutungslos ist wie bei den großen Dramen, die sie inszeniert. Wir hier in Mid-Yorkshire können uns sehr glücklich schätzen, sie unter uns zu haben. Wir sollten aufpassen, daß wir sie so hoch schätzen, wie sie es verdient, und wenn man sie eines Tages, was mit Sicherheit eintreten wird, drängen wird, uns für neue Aufgaben zu verlassen, sind wir es uns schuldig, ihr diesen Schritt sehr schwer zu machen …
    Er platzte durch die Türöffnung in die blendende Helligkeit der mittäglichen Sonne und taumelte vor Hitze, Licht und wie im Rausch. Am Türrahmen haltsuchend, schloß er die Augen. Als er sie wieder öffnete, war er innerlich ruhig und nicht länger geblendet. Da erblickte er Eileen Chung.
    Sie
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