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Moor

Moor

Titel: Moor
Autoren: Gunther Geltinger
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den er vom Gepäckträger zog und am Lenker festzurrte, schien dir für einen Nachmittagsbesuch beim Freund zu prall gepackt.
    Unter seinen Schuhen knacken Zweige, als er den Holzhaufen untersucht. Er blickt zurück, verharrt, macht noch ein paar Schritte, jetzt wieder zu dir hin. Schaut dich dabeinicht an, doch du weißt, dass sein Blick dich einschließt. Zwischen den Beinen spürst du das Mofa wegrutschen, der schwere Gepäcksack plumpst zu Boden. Das Durcheinander der Äste und Stämme, die unregelmäßigen Windstöße, das Hin und Her des Qualms machen das Bild unscharf und verwackelt, nirgends können deine Augen ruhen. Jetzt glaubst du den Rauch zu riechen, harzig wie Tannenzweige im Kaminfeuer. Er steht nun seitlich zu dir, schaut zum Brandfeld, und erst als er den Hosenstall öffnet, verstehst du, was er mit löschen gemeint hat.
    Doch er pinkelt nicht. Steht nur da, ruckt am Gürtel, gräbt die Schuhspitze in den Boden und scharrt das Holz beiseite, als wollte er einen Platz für euch schaffen. Jetzt spürst auch du wieder den Blasendruck, wie schon vorhin, am Abzweig Pellhof, wo du dich nicht getraut hast, hinter das Wartehäuschen zu gehen, als er plötzlich herankurvte. Du spannst die Bauchdecke an, drüben rast ein Auto vorüber, für den Bruchteil einer Sekunde blitzt die Karosserie in der Sonne auf. Keiner würde es sehen, wenn er dir plötzlich beim Pinkeln die Beine wegreißt, im Schwitzkasten, hinter dem Haufen. Niemand schaut hier in den Wald. Die Kurve ist gefährlich, jeder kennt das Holzkreuz, das an der Straßenböschung steht, stets mit frischen Blumen geschmückt, obwohl der Sohn des Bürgermeisters von Rahse schon seit über fünf Jahren tot ist. Wenn er dich hier fertigmacht, bist du verloren. Liegst da mit irgendeinem Bruch, womöglich bewusstlos. Dabei hast du nur kurz zu ihm hinübergeschielt, wolltest sehen, wie er ihn hält, und warum der Pinkelstrahl wieder zweigeteilt ist, wie damals an der Jauchegrube. Glotz mir nicht auf den Schwanz, du schwule Sau!, zischt er herüber, dann schlägt er zu.
    Noch lange liegt das Knattern des frisierten Motors in der Luft. Du kannst vor Schmerzen nicht aufstehen, robbst über den Boden, der Holzhaufen ist plötzlich steil und hoch. Als du es zur anderen Seite hin versuchst, siehst du die Flammenwoge, die aus dem Unterholz auf dich zuwalzt, sprühendes Nadelgezweig auf dem Kamm. Unten in der Glut knallen die Zapfen.
    Dion, wovor hast du solchen Schiss? Hannes ist kein Schläger, ein Knochenbrecher und Sadist nur in deinen dunkelsten Träumen, und auch der Katzenmord an der Jauchegrube war ja nichts als eine Ausgeburt deiner Phantasie, ein bedauerlicher Unfall wie alles, wofür du deinem Cousin die Schuld gibst oder geben willst. Die Katzen haben auf dem Brett geturnt, das über den Grubenrand ragte und vom Gewicht ins Kippen geriet, das ist die schnöde Wahrheit. Auch der Hartgesottenste steigt nicht freiwillig in das Abwasserloch, das derart sprudelnd und schäumend vom hineingepumpten Sauerstoff, der die Gärung beschleunigen soll, den besten Schwimmer verschlingen würde. Hätte Hannes sein Leben für ein paar Tiere aufs Spiel setzen sollen, die keiner braucht? Dabei wagt er so einiges, um den ungeliebten Nachwuchs vor der Schippe des Knechts zu retten.
    Erst letzte Woche hast du ihn im Moor gesehen, bei den Magerwiesen vor Kleenze, wo die Kühe des Milchbauern weiden. Obwohl kein Weg von der Ebene aus an die Zäune stößt, war er mit dem Mofa gekommen. Es hatte aufgebockt vor einem Farnfeld gestanden. Du warst der Reifenspur gefolgt, die sich vom Teich aus durch die Grasmatten zog. In Schlangenlinien, manchmal durch eine Senke mit staubweiß getrocknetem Schlamm, den höhergelegenen Bulten ausweichend, führte sie zielstrebig an die Viehzäune heran;Hannes scheint sich im weglosen Teil des Moores ebenso gut auszukennen wie du.
    Er hockte im Gras und fuchtelte mit den Händen, als müsste er Insekten verscheuchen, die ihn attackierten. Erst jetzt hörtest du das klägliche Weinen, und wie du dich vorsichtig, im Zeitlupentempo, damit kein Holz knackt, aus dem Gagelbusch herausgedreht hast, sahst du die vier Kätzchen, zwei schwarze, die anderen schwarzweiß gefleckt, genau wie die Stoppelkatzen im Vorjahr an der Grube, aber viel kleiner, jedes einzelne kaum eine Handvoll.
    Los weg!, rief Hannes und wedelte mit der Hand, nun lauft schon! Er setzte die kleinen Leiber ins Gras und stupste sie an, doch sie fielen um, wanden sich fiepsend zwischen den
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