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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin
Autoren: Frederica de Cesco
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hinüber, sah, wie er langsam vor sich hin nickte, mit der Zunge über die Lippen fuhr. Viviane stand leicht hinter ihm, das Gesicht abgewandt, als ob sie halb träumte; ich kannte diesen Zustand in ihr, der hellste Aufmerksamkeit bekundete. Doch sie blieb stumm. Sie hatte das Unheil schon so lange vorausgesehen, dass sie nichts mehr zu sagen hatte.
    »Ja«, sagte Peter endlich. »Das war ich.«
    Mich durchfuhr es siedend heiß.
    »Peter! Giovanni hat mich gerettet! Warum hast du das getan?«
    Er stand da, mit bleichem, ausdruckslosem Gesicht, bewegte nur die Gelenke ein wenig.
    »Ich wollte ein reines Gewissen haben.«
    »Ich hoffe, du fühlst dich jetzt wohler.«
    Meine Stimme hörte sich erschöpft und höhnisch an.
    »Nein«, sagte Peter, »ich fühle mich scheußlich.«
    Er schüttelte den Kopf, starrte unentwegt Giovanni an. Er sprach jetzt schnell, seine Stimme rasselte.
    »Man hat die drei Leichen gefunden. Heute früh. Rein zufällig. Ein paar Touristen wollten klettern. Natürlich haben sie es sofort gemeldet. Die Polizei kam gleich. Es waren deine Brüder, Giovanni. Man hat sie identifiziert.«
    Bisher hatten sich Giovannis Lippen nicht ein einziges Mal zu einer Antwort geteilt. Er stand da, kalt und wie in sich versunken. Doch ich bemerkte, wie seine herabhängenden Hände sich zu Fäusten ballten. Der harte, fast abwesende Blick, den ich bereits an ihm beobachtet hatte, trat in seine Augen. Er sagte:
    »Die Scheißkerle haben Alessa entführt.«
    Peter fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn.
    »Das weiß man inzwischen. Aber warum dieses Massaker?«
    »Sie haben mich verraten. Und Verrat, Peter, ist etwas Abscheuliches.«

    »Und der Sprengstoff, wer hat ihn gezündet? Ein Mann ist dabei ums Leben gekommen.«
    Giovannis Stimme klang unverändert gleichmütig.
    »Und ein Junge wurde schwer verletzt. Ja, ich weiß. Und ich fühle mich auch schuldig. Es war nicht vorgesehen. Aber sie hatten mir eine Frist gesetzt. War sie abgelaufen, hätten sie Alessa erdrosselt.«
    Peter warf mir einen raschen entsetzten Blick zu. Ich verzog keine Miene.
    »Ich verstehe.«
    Giovanni schüttelte leicht den Kopf.
    »Ich fürchte, nicht ganz.«
    Wieder Schweigen. Ungläubig schaute Peter in Giovannis starres Gesicht. Als er Luft holte, zuckte hinter seinen Brillengläsern ein scharfer Blitz auf.
    »Du warst mein Freund, Giovanni.«
    Giovanni nahm die Worte langsam auf. Der Blick aus seinen schwarzen Augen wanderte weit fort, wie seine schweifenden Gedanken.
    »Ach, bin ich jetzt nicht mehr dein Freund?«
    »Wie viele Morde hast du begangen, Giovanni?«
    »Soll ich dir eine Liste machen?«, erwiderte Giovanni trocken. »Ich bräuchte etwas Zeit.«
    Peters Stimme überschlug sich.
    »Ich kann nicht mit einem Killer befreundet sein.«
    Giovannis Antwort kam ganz melancholisch über seine Lippen.
    »Und ich nicht mit einem Verräter.«
    Wie ein Stein in stilles Wasser fällt und nach allen Seiten Wellenringe aussendet, so rührte sich Panik in mir, als ich zu begreifen begann, was Giovannis sanfte Worte bedeuteten. Doch ich brachte keinen Ton über die Lippen, schüttelte nur den Kopf in wortlosem Entsetzen. Giovannis Augen glitten zu mir hinüber, bevor sie sich wieder auf Peter richteten.

    »Ich dachte, du kennst mich«, sagte er.
    »Ich dachte auch, dass du mich kennst, Giovanni.«
    »Oh ja, ich kenne dich!« Giovanni lachte kurz auf, es klang wie ein Schluchzen. »Du und deine verdammte Überheblichkeit. Hast du nie bemerkt, wie neidisch ich früher auf dich war? Ein ordentliches Zuhause, warmes Essen jeden Tag, gute Kleider, der Tennisclub. Ich wollte in deiner Haut stecken, Peter. War ich dein Freund, konnte ich ein wenig an deinem Leben teilhaben.«
    Peter schluckte.
    »Dann hast du mich nie lieb gehabt?«
    »Doch. Sonst hätte ich dich hassen müssen.«
    »Warum sagst du mir das erst jetzt?«
    »Ich wollte es dir im Grunde nie sagen. Du hattest ja immer die besseren Karten im Einsatz. Und jetzt auch wieder mit Alessa.«
    Peter bemühte sich krampfhaft um einen sachlichen Tonfall und kam trotzdem ins Stottern.
    »Ich möchte … ich möchte wissen, worauf du hinauswillst.«
    Giovanni schnitt ihm das Wort ab.
    »Sei nicht so nervös, Peter. Erinnerst du dich an unseren Schwur? Du hast den Schwur gebrochen, Peter. Du hast mich verraten.«
    Peter verlor plötzlich die Beherrschung.
    »Hol dich der Teufel, Giovanni. Wir waren Kinder. Jetzt sind wir erwachsen, das Spiel ist aus! Ja, ich bin schuld, ich habe dich
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