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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin
Autoren: Frederica de Cesco
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Du hast dein Leben, und ich meines. Und was später aus dir wird, kann mir knallegal sein.«
    Giovanni sah mich lange schweigend an. Der Schatten, der seine Augen verdunkelte, war unendlich zart.

    »Gut«, sagte er dann. »Aber wir müssen jetzt schnell machen.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich muss mir ein Boot ausleihen. Mein Freund sagt, er braucht noch zwei Stunden, vielleicht weniger.«
    »Ein Boot ausleihen?«, wiederholte ich einfältig. »Bei wem?«
    »Bei irgendwem«, sagte er, so, dass ich endlich verstand.
    »So etwas habe ich noch nie gemacht.«
    »Nur für eine Weile«, sagte er.
    Inzwischen hatten wir den Pfad verlassen. Ein paar Schritte weiter stand ein staubbedeckter Wagen. Der Wagen war nicht abgeschlossen. Giovanni half mir beim Einsteigen, ging um den Wagen herum. Der Zündschlüssel steckte noch. Während Giovanni den Motor anließ, spürte ich, mit einem Gefühl von Ekel, den Geruch, den ich damals, bei meiner Entführung, gerochen hatte. Und dazu gab es nun einen anderen Geruch, der mir fast den Magen umdrehte.
    »Giovanni … es riecht komisch.«
    »Ja«, antwortete er knapp. »Es riecht nach Blut.«
    Ich blickte kurz auf die dunklen Flecken und unterdrückte ein Würgen. Giovanni kurbelte die Scheibe hinunter, um Luft in das Fahrzeug zu lassen. Dann griff er unter seinen Sitz und brachte eine Flasche Mineralwasser zum Vorschein. Ich trank gierig aus der Flasche. Inzwischen achtete Giovanni auf den Weg, fuhr vorsichtig, sah mich von der Seite an.
    »Besser?«
    Ich erwiderte umflort seinen Blick.
    »Ja… danke, besser!«
    Ich reichte ihm die Flasche. Er trank den Rest, bevor er die Flasche aus dem Fenster warf.
    »Da ist nichts zum Essen, tut mir leid«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Mir würde das Essen hochkommen.«
    »Das ist der Schock.«

    Wir fuhren die kleine Asphaltstraße zum Hafen hinunter. Am Himmel hingen Wolkenfetzen, aber der Tag würde klar werden. Die Fischer waren gewiss schon ausgefahren. Und als wir auf den kleinen Parkplatz fuhren, sahen wir auch schon, dass einer in knapper Entfernung in seinem Boot saß und die Netze bereitmachte. Ich erschrak, aber Giovanni sagte:
    »Bewege dich ganz natürlich, er wird keinen Verdacht schöpfen.«
    Der Fischer war tatsächlich mit seiner Arbeit beschäftigt. Giovanni ging voraus, mit seinen langen Schritten, ich folgte, der Kälte wegen die Arme auf der Brust verschränkt. Giovanni suchte nicht lange, sondern ging zielstrebig auf das nächstliegende Boot zu.
    »Ist das dein Boot?«, fragte ich.
    Er grinste.
    »Ja, aber ich habe keine Ahnung, wem es gehört.«
    Schmal, wie es war, schwang das Boot heftig hin und her, als wir einstiegen. Ich setzte mich zähneklappernd. Das Boot hatte einen kleinen Außenbordmotor. Giovanni brauchte nicht lange, um den Motor anspringen zu lassen, der mit einem kräftigen Tuckern sofort arbeitete. Während er das Boot aus dem Hafen steuerte, saß ich am Heck und bemerkte, dass der Fischer grüßte. Giovanni wandte das Gesicht ab.
    »Grüß zurück!«, sagte er halblaut zu mir.
    Ich hob die Hand, setzte ein Lächeln auf. Ich schätzte, dass der Mann aus der Entfernung unsere Gesichter schlecht erkennen konnte. Doch ich atmete erleichtert auf, als wir den Hafen verließen. Die Kalksteinklippen rund um die Bucht ragten in den Himmel, fern und doch so nahe, dass man glaubte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihre Flanken zu berühren. Der Sand zwischen den Steinen schimmerte perlgrau, und die Wellen des Meeres kräuselten sich in düsteren Schuppen. Hier war der Ort unserer Kindheit, das verlorene Paradies, die Sehnsucht. Mein Herz schnürte sich schmerzvoll zusammen.
Ich setzte mich neben Giovanni, schob meinen Arm unter den seinen.
    »Weißt du noch?«
    Er drückte meinen Arm fester an sich.
    »Es ist vorbei, Alessa.«
    Ich konnte nur den Kopf bewegen. Meine Kehle schwoll an, als wäre sie mit Tränen gefüllt, doch ich ließ nicht zu, dass ich weinte. Giovanni merkte, dass ich zitterte.
    »Kalt?«, fragte er zärtlich.
    Ich nickte bejahend.
    »Bald kommt die Sonne wieder durch«, sagte er, »dann wird es wärmer.«
    Während er sprach, nahm er Kurs auf die Insel, und ich erinnerte mich an meinen letzten Ausflug mit Peter. Aber davon redete ich nicht, ich wollte Giovanni nicht noch zum Abschied mit solchen Gedanken belasten. Und so fuhren wir schweigend dahin. Das Boot hob und senkte sich in den Wellen. Ich sog tief die frische Meeresluft ein, mit ihrem eigenen, lebendigen Duft nach
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