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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin
Autoren: Frederica de Cesco
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Schaumstreifen rollten dem Kieselstrand entgegen. Sie trugen das glitzernde
Funkeln der Mittagszeit, ein Sprühfeuer aus Sonne, Spiegelung und Wasser.
    »Ich glaube, da kommt Peter«, hörte ich Giovanni plötzlich sagen.
    »Wo?«
    Er zeigte mir ein Boot. Ich hielt die Hand über meine Augen, blickte angestrengt über dieses Meer aus flüssigem Feuer, kniff die Lider zusammen, schärfte meine Sicht. Tatsächlich waren zwei Gestalten in dem Boot, die ich erkannte. Giovanni sah mich an und nickte ausdruckslos.
    »Da haben sie schneller gemacht, als ich dachte.«
    Ich zerrte mir das Sweatshirt vom Leib und schwenkte es über meinem Kopf.
    »Glaubst du, dass sie uns gesehen haben?«, fragte ich nach einer Weile atemlos.
    »Ja«, sagte Giovanni. »Peter hat den Arm gehoben.«
    »Gehen wir ihnen entgegen?«, schlug ich vor, obwohl mir jede Kraft fehlte.
    »Ich muss hierbleiben«, sagte Giovanni, »sonst sehe ich die Yacht nicht. Diese verdammte Sonne!«, setzte er grimmig hinzu.
    Ich spürte eine Beklemmung in mir.
    »Hat dein Freund Verspätung?«
    Er nickte.
    »Ja, und das ist nicht seine Art.«
    Ich schwieg mit wachsendem Unbehagen. Der Schmerz in meinem Hinterkopf klopfte und pochte. Bittere Spucke sammelte sich in meinem Mund an. Ich fühlte mich, als ob ich mich im nächsten Atemzug übergeben müsste, doch nichts kam, außer einem heftigen Schluckauf, den ich mit der Hand erstickte. Inzwischen hatten Viviane und Peter den kleinen Strand erreicht und zogen ihr Boot an Land. Peter blickte empor. Ich winkte ihm zu. Er wechselte einige Worte mit Viviane. Sie trug Jeans, ihren Perfecto und ein weißes T-Shirt darunter.
Dazu Sneakers, die sich gut zum Klettern eigneten. Wir sahen zu, wie beide sich an dem Steilhang, der prall in der Sonne lag, abmühten. Hoch oben, wo wir waren, zerrte heißer Wind an den einsamen Grasbüscheln. Während Peter und Viviane sich näherten, blickte ich dann und wann auf Giovanni. Er war merkwürdig still, wie erstarrt. Ich begriff, dass er unruhig war. Und wenn sein Freund ihn im Stich ließ? Meine Gedanken überschlugen sich. Um Himmels willen, was dann? Wie konnten wir ihm helfen, ohne uns selbst strafbar zu machen? Giovanni war ein Killer, er hatte vier Menschenleben auf dem Gewissen, und wer weiß noch wie viele, von denen ich nichts wusste. Dazu hatte er noch einen Jungen zum Krüppel gemacht. Es war entsetzlich, grauenhaft. Wir waren einem Schicksal ausgeliefert, das zu gewaltig für uns war. Ein heftiger Schauer schüttelte mich. Ich wandte meinen Blick Giovanni zu, doch er rührte sich nicht. Er blickte auf die schaukelnden Wellen, auf die Schiffe, die ihren Kreis immer enger um die Insel zogen. Giovannis Gesicht war steinern, die Augen schwarz wie Pechkohle. Und dann, ohne auch nur das geringste Zeichen von Unruhe, wandte er mir langsam den Kopf zu und sagte:
    »Hast du gesehen? Das sind alles Polizeiboote.«

44. Kapitel
    D er Wind hatte Giovannis Worte schon davongetragen, ich konnte mir einbilden, dass ich sie überhaupt nicht gehört hatte. In mir war nichts mehr, kein Gedanke, kein Gefühl. Nichts als ein seltsames Schwingen, das sich auf meinen ganzen Körper übertrug. Ein ganz sonderbares Gefühl, als ob innere Wellen in mir schaukelten. Für nichts anderes schien in mir Raum zu sein als für dieses langsame innere Schwanken. Das dauerte eine ganze Weile, bis unterhalb der Plattform endlich ein Stein rollte. Das Geräusch durchzuckte meine Nerven. Ich fuhr zusammen, sah Peter und Viviane die letzte kleine Steigung überwinden und uns entgegenlaufen. Vivianes Haar war vom Salzwind verkrustet, und Peter war so blass, dass er Schatten unter den Augen hatte. Seine Lippen schimmerten sogar in der Sonne fast bläulich, die Haut war herabgezogen und wie nach innen gesaugt. Zunächst standen wir einfach nur da und starrten uns an. Unten rauschte das Meer, schlug an die Klippen, über unseren Köpfen kreischte ein Möwenschwarm. Keiner sagte ein Wort, es war unerträglich. Schließlich hob ich die Hand, massierte meinen schmerzenden Hinterkopf. Diese Geste schien etwas in Bewegung zu bringen. Peter machte einen Schritt vorwärts, setzte zum Sprechen an. Doch Giovanni kam ihm zuvor. Sein nackter, tätowierter Arm wies auf die Polizeiboote. Seine Stimme, die er nicht im Geringsten erhoben hatte, hatte einen monotonen, leicht vibrierenden Klang.
    »Die Polizei, Peter. Warst du es?«

    Etwas von seiner verborgenen Erregung offenbarte sich mir; mein Herz schlug rasend. Ich sah zu Peter
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