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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen
Autoren: Richard Laymon
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    »Wo zum Teufel fahren wir denn jetzt hin? « , fragte Finley. »Zu Großmutters Häuschen oder wie?«
    Helen, die am Steuer des gemieteten Jeep Wagoneer saß, blickte grinsend über die Schulter. »In den tiefen, finsteren Wald …«
    »Wo der große böse Wolf wohnt«, sagte Abilene.
    »Das würde Finley so gefallen«, bemerkte Cora vom Beifahrersitz.
    »Hör bloß auf. Mit Männern bin ich fertig.«
    »Seit wann denn das?«, fragte Abilene.
    »Seit letztem Sommer und Surfer-Sam, oder wie der Kerl hieß.«
    »Du kannst dich nicht mal an seinen Namen erinnern?«, fragte Helen.
    »Nur ein weiteres Stück Frischfleisch für den Finman«, meinte Abilene.
    Finley rammte ihr einen Ellenbogen in die Seite. »Rick. Er hieß Rick. Aber das ist jetzt vorbei. Ich habe mir geschworen, ein anständiges Mädchen zu werden.«
    »Das glaube ich erst, wenn ich's sehe«, sagte Cora.
    »Da, wo wir hinfahren, gibt's keine Männer. Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.«
    »Ich hoffe, du willst nicht irgendwo ein Zelt aufschlagen«, sagte Vivian.
    »Wieso, hast du was gegen frische Luft?«, fragte Cora.
    »Frische Luft ist super. Aber dafür hätte ich nicht dreitausend Meilen fliegen müssen.«
    »In L. A. gibt's bestimmt keine frische Luft.«
    »Viv hat nur Angst, sich die Klamotten zu versauen«, sagte Abilene.
    Vivian beugte sich vor und sah an Finley, die zwischen ihnen auf dem Rücksitz saß, vorbei. »Wenn ich in die freie Natur wollte, hätte ich auch gleich zu den Pfadfindern gehen können.« Mit gerümpfter Nase lehnte sie sich wieder zurück. »Mir sieht das hier jedenfalls gewaltig nach Campingurlaub aus.«
    »Tja, lass dich überraschen«, sagte Helen selbstzufrieden.
    »Spätestens, als sie gesagt hat, dass wir Schlafsäcke und alte Klamotten einpacken sollen, hätte eigentlich der Groschen bei dir fallen sollen«, sagte Abilene.
    »Wieso, das kann doch alles heißen.«
    »Dass wir ins Marriott einchecken bestimmt nicht.« Trotzdem bezweifelte auch Abilene, dass sie eine Woche im Zelt verbringen würden. So etwas hätte vielleicht Cora gefallen, aber schließlich hatte Helen den Ausflug geplant. Und die war weder besonders sportlich noch ein großer Fan von Mutter Natur. Ihre Hobbys waren eher ruhiger und auch etwas düsterer: Gruselromane oder Filme, in denen irre Killer mit Messern, Äxten oder Kettensägen Teenager abschlachteten. Mit ihr konnte man höchstens auf einem Friedhof zelten.
    »Ich weiß, wo wir hinfahren«, sagte Abilene. »Zum Friedhof der Kuscheltiere.«
    Helen lachte. »Nah dran.«
    »Nah dran?«, murrte Vivian. »Na toll.«
    »Tja, auf jeden Fall sind wir bald da.«
    »Wie bald?«, fragte Finley.
    »Laut Kilometerzähler noch etwa drei Meilen.«
    »Halt mal an und lass mich aussteigen, ja? Ich will unsere Ankunft für die Nachwelt festhalten.«
    »Oh Mann«, sagte Abilene. »Deine ewige Filmerei. Gott sei Dank hast du uns gestern Abend damit verschont.«
    »Jetzt halt mal die Luft an. In Wahrheit gefällt's dir.«
    »In Wahrheit hasse ich es.«
    »Ich will mir das Band noch mal ansehen«, sagte Helen. »Vielleicht vor der Abreise?«
    »Wenigstens du hältst zu mir.« Finley beugte sich vor und tätschelte ihre Schulter. »Jetzt lass mich mal raus.«
    Helen hielt mitten auf der Straße an. Es war nicht notwendig, auf die Seite zu fahren. In der letzten halben Stunde war ihnen nicht ein einziges Auto begegnet. Während Vivian ausstieg, kramte Finley im Gepäckfach hinter dem Rücksitz. Sie zog einen Camcorder hervor und verließ ebenfalls den Wagen. Vivian stieg wieder ein.
    Von der Stoßstange aus kletterte Finley auf die Motorhaube, auf der sie bis zur Windschutzscheibe spazierte. Das Metall wurde von jedem ihrer Schritte leicht eingedrückt und gab leise, vibrierende Geräusche von sich.
    »Himmel«, brummte Cora.
    »So sind die Jungs eben«, sagte Helen.
    Abilene bemerkte, dass Finley heute mehr als sonst wie ein Kind und nicht wie eine fünfundzwanzigjährige Frau wirkte. Sie war nicht besonders groß, dafür schlank und trug ihr braunes Haar ziemlich kurz. Auch ihre Kleidung passte eher zu einem jungen Mann auf Safari: Das weite, hellbraune Hemd reichte fast über ihre ebenfalls weiten und hellbraunen Shorts und war nicht nur mit Schulterklappen, sondern auch mit einer Vielzahl von Taschen, Laschen und Messingknöpfen versehen.
    Natürlich wäre ein Junge eher gestorben, als sich in grell-rosa Kniestrümpfen blicken zu lassen.
    Mehr als die Kniestrümpfe und ihre weißen Reeboks waren von
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