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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen
Autoren: Richard Laymon
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bei Trost, an so einen Ort zu fahren. Nur zum Spaß. Als Abenteuer.
    Wir müssen völlig verrückt sein.
    Scheiß drauf. Waren wir das nicht schon immer?

2
    Die Belmore-Girls
    Alles hatte mit Finley und ihrer neuen Videokamera angefangen.
    Als sie achtzehn Jahre alt waren, wohnten sie im zweiten Stock des Westflügels der Hadley Hall, einem der beiden Mädchenwohnheime der Belmore University.
    Es geschah in der dritten Septemberwoche an einem Mittwochabend.
    Helen Winters, Abilenes Zimmergenossin, saß an ihrem Schreibtisch über einem Buch über die westliche Zivilisation. Abilene hatte mit dem Rücken zum Fensterbrett auf einem Bücherregal Platz genommen. Es war eine heiße Nacht, und sie hoffte, einen kühlen Luftzug zu erhaschen, während sie mit »Othello« kämpfte. Seufzend klappte sie das Buch zu.
    »Gott, bei dieser Hitze kann man sich überhaupt nicht konzentrieren.«
    Helen ließ den Textmarker fallen. Sie wirkte verloren und unglücklich. Und sie war noch unattraktiver als sonst. Ihr braunes Haar, das in der Form eines Footballhelms geschnitten war, klebte in fettigen Strähnen an ihrem Kopf. Feuchte Locken hingen ihr wirr ins Gesicht, Schweiß lief in Strömen über ihre Hamsterbacken. In einem Nasenwinkel saß ein Eiterpickel, der aussah, als würde er jeden Moment aufplatzen. Ihre Unterlippe hatte sie so weit nach vorne geschoben, dass sie einen Schatten auf ihr Kinn warf.
    Sie warf Abilene einen verdrießlichen Blick zu. »Ich hasse es hier.«
    »Das liegt bestimmt an der Hitze.«
    »Das liegt an allem.«
    »Heimweh?«
    »Das nun auch wieder nicht.«
    »Ich wäre jetzt gerne zu Hause. Zu dieser Jahreszeit ist Mill Valley einfach großartig. Dort würde man sich zumindest nicht zu Tode schwitzen.«
    »Willst du mit mir unter die Dusche gehen?«
    Abilenes Magen fühlte sich an, als wäre sie gerade eine Klippe hinuntergestoßen worden. Sie bemerkte, dass ihr Mund offen stand, und schloss ihn schnell. Da sie keine Ahnung hatte, was sie darauf antworten sollte, zuckte sie einfach mit den Achseln.
    Helen atmete tief aus. Ihre Wangen und Lippen blähten sich auf. Sie verdrehte die Augen. »Ist schon in Ordnung. Wenn du keine Lust hast …«
    »Na ja …«
    »Du bist doch nicht etwa lesbisch, oder?«
    Abilene errötete. »Nein!«, platzte es aus ihr heraus.
    »Ich auch nicht.«
    »Gut. Nicht, dass … du weißt schon.«
    »Also, wie wäre es mit einer Dusche?«
    »Jetzt?«
    »Ja. Das wird uns guttun.«
    Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht. Ich warte lieber bis morgen früh.«
    »Bitte, bitte?«
    »Mann, Helen.«
    »Es ist nur … ich will nicht allein gehen. Vielleicht ist da jemand. Ein Fremder.«
    »Da sind nur die Leute aus unserem Wohnheim.«
    »Aber ich kenne keinen von denen. Nicht richtig. Sie machen mir Angst. Offen gestanden habe ich seit letztem Donnerstag nicht mehr geduscht.«
    »Seit letzten Donnerstag? «
    »Ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden.«
    »Ist irgendwas passiert?«
    »Ich kam gerade aus dem Kino. Ein Horrorfilm, aber ganz gut. Du hast schon geschlafen. Alles war still. Ich dachte, dass sich alle schon aufs Ohr gelegt hatten, und hielt es für einen guten Zeitpunkt, um schnell unter die Dusche zu springen. Auf jeden Fall ging plötzlich das Licht aus. Jemand hat es ausgeschaltet. Es war stockdunkel. Ich konnte nichts sehen. Hören auch nicht, wegen dem Wasser. Ich hatte ziemliche Angst, aber ich dachte, jemand hatte sich einen schlechten Scherz erlaubt. Also hab ich weitergeduscht. Ich war gerade dabei, mich einzuseifen, als ich eine Hand gespürt habe.«
    »Heilige Scheiße«, flüsterte Abilene.
    »Sie hat … sie hat mir die Brüste geknetet. Vor Schreck bin ich ausgerutscht und auf dem Hintern gelandet.« Sie zuckte mit den Achseln und grinste unbehaglich. »Und deswegen habe ich seit Donnerstag nicht mehr geduscht.«
    »Kein Wunder.«
    »Also, kommst du mit?«
    »Okay. Klar.«
    »Super. Du bist eine echte Freundin.«
    »Hey, jetzt werd ich wohl auch nicht mehr so schnell allein duschen gehen.« Abilene schob mit den Füßen den Stuhl weg und hüpfte von dem niedrigen Bücherregal. »Was ist passiert, nachdem du hingefallen bist?«, fragte sie.
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Na ja, ich hab ziemlich lange dagesessen. Aber die Hand kam nicht zurück. Wer auch immer das gewesen ist, er hatte sich anscheinend aus dem Staub gemacht. Irgendwann habe ich mich weit genug zusammenreißen können, um aufzustehen und abzuhauen.«
    »Meine Güte«, murmelte Abilene. »Du hast
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