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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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bleiben.
    Oder ab ins Heroisch-Mystische, ran an die untergegangenen Kulturen, zu den Indianern zum Beispiel. Die Indianer haben schließlich doch schon damals versucht, mit Folklore die Technologie zu stoppen, die liefern immerhin Anhaltspunkte, wie unsereins mit Würde krepieren kann, wenn aller Widerstand gebrochen ist. Das ist keine so ganz schlechte Möglichkeit...
    Oder etwa hinein ins Mystisch-Religiöse, zu denen in der orangefarbenen Uniform, die flotte Holzperlenkette mit dem Amulett vom eloquentesten Abstauber aller Zeiten um den Hals geschlungen, damit man endlich wieder weiß, wo oben und unten ist, und sich an eine als unveränderbar erkannte Welt optimal anpassen kann?
    Nein, ich stehe zu meiner persönlichen Geschichte, ich will nicht alles abhaken, was ich mir in harten Auseinandersetzungen erarbeitet habe. Aber es müssen ja nicht unbedingt die Orangenen sein. Die Christen tun’s vielleicht auch. Also hin zu diesen angstschlotternden Kirchentagen? Durch inbrünstiges Gebet ist möglicherweise schon so manche Rakete vom programmierten Kurs abgewichen. Und wer weiß, wieviele GAUs in Atomkraftwerken durch rechtzeitig abgehaltene Jugendgottesdienste schon verhindert wurden!
    Die Beweislage ist mir nicht schlüssig genug. Ich halte es für denkbar, daß eine Rakete durch heftiges Beten auch zur Einhaltung des programmierten Kurses veranlaßt werden kann.
    Nein, mit den Christen und anderen religiösen Sekten habe ich nichts am Hut.
    Bleibt zum Schluß: Ab ins Okkulte, hinein in die Mythologie.
    Im Dschungel des Okkultismus, wo feiste Mythen schaurig-schöne Weisen singen, läßt sich am einträglichsten nach dem Sinn des Lebens forschen. Und darum geht es doch wohl, um den Sinn meines Lebens, den will ich Abenteuer-bestehend suchen und Rätsel-lösend finden.
    Ich weiß eigentlich genau, daß diese Menschen weit nur mit Brachialgewalt zum Besseren zu verändern ist, aber meine Arme hängen schwer herab. Ich habe jede Menge Steine geworfen, aber alle wurden vom angegriffenen Bitumen aufgesaugt und sorgten letztlich für seine Verstärkung. Ich schätze mich selbst als begeisterungsfähigen Mitläufer ein, und ich bettle um eine Autorität, die mich zwecks Aktivierung mal kräftig in den Arsch tritt.
    Natürlich habe ich ein Herz für Nicaragua, ich habe bestimmt auch schon einige Pfeile samt Bogen für El Salvador gespendet — aber auf meinen Status als engagierter Pazifist lege ich den größten Wert.
    Ich kann nicht mehr. Ich bestreite den Vorwurf ideologischer Schwäche, aber meine Ungeduld wächst. Ich will Utopia, und ich will es jetzt. Aber möglichst geschenkt.
    Ich betrachte mein Bücherregal.
    Es ist voll von bedrucktem Papier, zum Beispiel aus dem Trikont-Verlag. Von dort hat man mich jahrelang mit mehr oder minder revolutionärem Material versorgt. Und worum kümmert sich dieser Verlag jetzt?
    Richtig: Um Spuk und böse Geister.
    Das ist nun mal der fortschrittliche Trend.
    Da wird dem Suchenden Identität geboten.
    BBB weist AAA den Weg nach Phantasia und zu den Beschwörern der Abkehr vom Materialismus — hin zu Tolkien, Castaneda, Ende & Co. KG. Seufzend darf ich mich nunmehr abwenden von meinen gescheiterten Hoffnungen, brauche nicht länger kritisch zu hinterfragen und grausame Konsequenzen aus den Antworten zu ziehen, kann mich hinwenden ins Disneyland und zu den Wundern der Irrationalität. Das kühlt die schmerzhaften Depressionen, und das bringt auch ein sonniges Stückchen Kindheit zurück. Jeder Freak sein eigener Pfarrer Sommerauer. In Mythologien läßt es sich gut träumen. In der Kumpanei mit kohlfressenden Zwergschweineelfen, Düdelüts und Fotzenstübern werden alle Menschen ohne weitere Kalamitäten Brüder, die Internationale hat das Menschenrecht im Wanderpokal unter dem Berge Nirgendwo versteckt, und ohne den kleinsten Blechschaden gelangt jede Null zur Sonne, zur Freiheit und sogar zum Lichte empor.
    In Phantasia kann sich jeder wie Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem ekligsten Morast ziehen und ein in jeder Hinsicht angenehmer Zeitgenosse werden. BBB hat’s perfekt vorgeführt: Aus dem dicken Blödian wird ein schönes, starkes, mutiges, kluges Kerlchen.
    Selbst der niedergeschlagenste Altfreak kann so, dem preisgünstigen Beispiel folgend, in einem Winkel hocken und an seiner Aufwertung basteln.
    Ich fühle mich nicht wohl, mir ist irgendwie schlecht. Vielleicht hätte ich weniger über die Zusammenhänge nachdenken und lieber etwas mehr essen sollen. Noch
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