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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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1.

    AAA lernt BBB kennen.
    AAA ist ein kaputter Mann, BBB ist ein kaputtes Kind.
    AAA, ausgeschrieben Andy Alwin Axt, erfahren im politischen Kampf, aber todunglücklich wegen ungezählter Niederlagen, engagiert im Einsatz, aber ohne nennenswertes Ergebnis, immer geil, aber ohne Hoffnung auf eine dauerhafte Bindung, solide halbgebildet, aber ohne Perspektive, wahnsinnig revolutionär, aber ohne Aussicht auf Massengefolgschaft.
    AAA sucht Trost in einem Kinderbuch.
    Deprimiert zieht er sich damit am Donnerstagabend in seine Bude zurück. Er will endlich wieder zu sich selbst finden, mit sich ins reine kommen, einen Ausweg aus seiner verfahrenen Situation entdecken. AAA ist überzeugt, daß er in BBB einen Freund fürs Leben trifft, der Trost und Hilfe bereithält. AAA muß sich nur auf BBB einlassen, auf ihn zugehen, ganz offen. Man hat es ihm versprochen! Er soll abschalten und sich BBB’s unendliche Geschichte einfach so reinziehen. Nicht grübeln!
    AAA freut sich fast auf BBB, ausgeschrieben Bastian Balthasar Bux.
    BBB’s Vita: Bürgerliches Elternhaus, starke Anbindung des Knaben an seine Mutter. Diese stirbt, der Knabe wittert Verrat und nimmt von da an allen Frauen alles übel.
    Vater Bux, hochgradig depressiv wegen des Todes seiner Frau, geht in die innere Emigration. Daraus ergibt sich ein schrulliges Nebeneinanderherleben von Vater und Sohn mit null Kommunikation. Fräulein Anna, die Bux-Hausangestellte, ist als Mutter-Ersatz untauglich. Als Mutter wahrscheinlich ebenfalls: Sie deportiert ihr Töchterchen Christa in ein Internat. Dadurch gerät der Knabe BBB noch tiefer in seine Isolation. Er hat keine Chance, seine Gefühle auszuleben. Und weil er überall nur Ablehnung spürt, kann von Selbstbewußtsein bei ihm keine Rede sein. Er ist kaum zu annehmbaren Tagträumen in der Lage: BBB stellt sich andere, erfundene Figuren in aufregenden Abenteuern vor, und er braucht ungewöhnlich lange, bis es ihm gelingt, sich mit diesen erfundenen Figuren zu identifizieren. Über sein Onanierverhalten Auskunft zu geben, ist BBB nicht bereit.
    Hartherzige Zyniker mögen daraus den Schluß ziehen, daß BBB’s Eltern lieber hätten eine Verhütungsdebatte führen sollen, als sich so ein Debakel zusammenzukopulieren. Familienminister, Papst und Pro Familia wären gewiß zu einer konzertierten Aktion bereit gewesen, hätten sie dieses Desaster rechtzeitig kommen sehen.
    Aber nein, Versagen auf der ganzen Linie.
    Nun hockt also dieser zu kurze, fette, fahle, schwach-brüstige bebrillte Knabe BBB (11) mit einem vermeintlich gestohlenen Buch in einem Winkel des Schulspeichers und liest, weil niemand mit ihm spielen will.
    BBB ist zu dämlich, um in der Schule auch nur untersten Ansprüchen zu genügen, zu verklemmt, um die doch gerade in seinem Alter besonders gepflegte Fäkalsprache zu benutzen, zu häßlich, um sich selbst akzeptabel zu finden, zu ängstlich, um mit anderen, und zu feige, um mit sich selbst Kontakt aufzunehmen.
    (Einmal hatte er gewagt, Widerworte zu murmeln! Da haben ihn »die anderen« in eine Mülltonne gestopft und den Deckel zugeklappt. Bangemann, geh du voran!)
    AAA liest, wie den lesenden Knaben BBB auf wunderbare Weise die Selbstheilungskräfte der Natur überkommen, mit deren Hilfe es ihm gelingt, seiner allseitigen Betroffenheit Herr zu werden.
    BBB klaubt diverse mythologische Gestalten zusammen, die gerade so in Mode sind, er versammelt sie in seiner Psyche, malerisch Phantasia genannt, er beamt sich selbst dazu und spielt mit dem Gesindel so ekstatisch Ringelreihen, bis aller Welt schwindlig wird und die Leute entzückt ausrufen:
    »Seht doch nur, welch phantasievolles Kind! Und so wegweisend!«



2.

    Ich bin begeistert von BBB. Das ist mal ein lebensnah gezeichneter Typ. Ich fühle mich BBB so nahe wie einem Bruder, aber ich will mehr wissen, will ihm noch näher kommen.
    Ich, AAA, hole mir die entsprechende Sekundärliteratur an mein Bett und erfahre folgendes:
    Im Gegensatz zur Science-Fiction, die’s mit der Technologie treibt, ist das Problem der Fantasy die Natur.
    In der Natur vagabundiert allerlei Wunderliches, unerklärbar und bedrohlich für die Menschheit:
    Halbtot und halblebendig, halb Mensch und halb Dämon, zur Hälfte Bestie und zur Hälfte Humanist — so strolchen diese Naturereignisse durch Phantasia und erschrecken als sogenannte Mythen nicht nur empfindsame Männer und mütterliche Lesben, sondern auch mädchenhafte Machos und mannstolle Feministinnen.
    Angst vor der
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