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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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handelt es sich schon um Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dafür wird ihm das Nasenbein breitgeklopft. In einer Ecke des Platzes rufen einige besonders mutige Pädagogen zu entschlossenem Widerstand auf: sie setzen sich auf den Rasen, fassen sich an den Händen und singen »We shall overcome«, und sie sind ganz traurig, weil niemand sie wegtragen will. Eine arbeitslose Sozialarbeiterin überreicht dem einsatzfreudigsten Jungbullen eine ausgerupfte Friedhofschrysantheme. Dafür wird sie an den Haaren zur erkennungsdienstlichen Behandlung geschleift und erwartet nun eine Anzeige wegen Störung der Friedhofsruhe, Sachbeschädigung und Nötigung. Als Höhepunkt tritt Heidi einen Jungbullen mit Anlauf in den Sack, was ihr großen Beifall, aber auch eine schwere Brustbeinprellung einbringt, denn sie wird niedergeworfen und von zwei anderen Jungbullen besetzt. Entsetzt ruft jemand laut zur Bildung einer Menschenkette auf.
    Am Rande des Tumults steht ein Oberbulle in Uniform auf einem Grabstein und feuert seine Jungs an.
    Der Pfarrer eilt mit fliegendem Talar auf ihn zu. Ich bin auf sein Anraten am halb geöffneten Fenster seines Amtszimmers geblieben; habe einen vorzüglichen Logenplatz, bedaure aber, daß ich so total vom Körperkontakt mit den Jungbullen ausgeschlossen bin.
    Der Pfarrer steht aufgebracht vor dem Einsatzleiter auf dem Grabstein: »Runter da. Sofort da runter! Schämen Sie sich!«
    Dem Oberbullen ist es peinlich, vor allen Leuten von einem Geistlichen so angeschissen zu werden, und er gehorcht: »Wir tun nur unsere Pflicht. Gefahr im Verzug, Sie verstehen.«
    Nein, der Pfarrer versteht nicht, wieso bei dieser friedlichen Gemeindeversammlung Gefahr im Verzüge sei, er habe hier das Hausrecht, und die Polizei möge bitteschön sofort den Kirchengrund verlassen, niemand habe sie gerufen.
    »Nehmen Sie doch Vernunft an, Herr Pastor, wir suchen einen gefährlichen Chaoten und Politkriminellen, und wir haben Grund zu der Annahme, daß der Mann sich unter Ihre Gemeinde gemischt hat.«
    Die Prügelei hat aufgehört, die Jungbullen stehen locker auf dem Standbein und scharren hinterlistig mit dem Spielbein.
    Der Pfarrer will wissen, was die Obrigkeit dem Chaoten vorwirft.
    »Einbruch, Sachbeschädigung, Mißbrauch von Staatseigentum, Verkehrsgefährdung, Hausfriedensbruch, grober Unfug, Wehrkraftzersetzung und Störung der öffentlichen Ordnung. Außerdem Verächtlichmachung der Polizei, Amtsanmaßung und Vandalismus.«
    Der geschockte Pfarrer bleibt ein guter Hirte:
    »Wissen Sie, wie der Mann heißt? Wie alt? Wie sieht er aus?«
    Der Oberbulle hat keine Ahnung und nichtmal ein Foto. Er ist Intelligent genug, einzusehen, daß er nicht die ganze Gemeinde festsetzen und verhören kann. Der Pfarrer macht den Vermittlungsvorschlag, daß er In Abwesenheit der Polizei die Angelegenheit In Ruhe mit seinen Gemeindemitgliedern besprechen und, sollte sich der Übeltäter hier in dieser Runde befinden, seinen Einfluß geltend machen will, daß der Mann sich freiwillig stellt.
    Beide Seiten sind der Ansicht, es handle sich um eine unsinnige Konfrontation, und man müsse diese Atmosphäre von Gewalt entschärfen. Der Pfarrer läuft zu großer Form auf und überzeugt den Oberbullen, daß es aus Gründen einer humanen Optik wünschenswert sei, wenn er und seine Untergebenen das Ergebnis der Gemeindeberatung in der Kirche abwarten würden. Er verbürgt sich dafür, daß von dieser Versammlung gewiß keine Störung ausgehe, und dabei legt der Herr Pfarrer dem Herrn Einsatzleiter den Arm um die Schulter, so daß den, weil er ernsthaft katholisch ist, ein wundervoll ökumenisches Feeling beschleicht.
    Der Rückzug der Jungbullen in die Kirche wird befohlen. Kittner erhält die Anweisung, den Herren einen schönen heißen Tee in der Sakristei zu servieren, und in ein vertrauliches Gespräch vertieft verschwinden der Pfarrer und der Oberbulle im Kirchenportal, gefolgt von den mürrischen Jungbullen, die sich um ihren Spaß gebracht sehen, endlich auch mal jemanden richtig totzuschlagen. Kaum sind die Herren im Gotteshaus verschwunden, schließt Kittner hinter ihnen ab und verkeilt auch noch ein kräftiges Vierkantholz unter der Türklinke. »No pasarán!« ruft er jubelnd aus, und einige Übermütige singen »So ein Tag, so wunderschön wie heute.«
    Aus der Kirche hört man den Pfarrer zetern »aufmachen, sofort aufmachen, hörst du nicht, Kittner, du gottloser Kommunist!«, und der Oberbulle schreit: »Ich lasse euch alle
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