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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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Natur ist ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklung der Menschheit. Und weil die Menschen ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Entwicklung haben, füttern sie die Mythen mit ihrer Angst. Davon werden die Mythen immer fetter, aber die Angst der Menschen wird nicht weniger.
    Mythologisch gesehen handelt es sich bei diesem Phänomen um ein alternatives Danaiden-Faß mit doppeltem Boden. Dadrin stehe ich, AAA, als Szene-Tantalus bis zum Hals in der Jauche, aber soviel ich auch rausschöpfe: der Jauchespiegel sinkt nicht...
    Ich bedaure, so allein in meinem Bett liegen zu müssen, weil nun niemand sehen kann, wie mir dicke Tränen der Erkenntnis in die Bartstoppeln rinnen. Ein feister Mythos hockt auf meiner Bettdecke und verlangt mit dumpfem Grummeln nach Happahappa.
    Ich bin neugierig, wie BBB mit unser beider Problemen fertig werden wird...



3.

    Zur gleichen Zeit, am Donnerstagabend. Mømø Laumann ist ein mürrischer Angestellter im Stadtbauamt. Er kann anziehen, was er will, er sieht immer gut aus: Auch in Schlips und ordnungsgemäßen Halbschuhen. Er wird geführt als persönlicher Referent des Oberstadtbaurats, weil sich dessen Tochter für ihn eingesetzt hat. Sie will Mømø Laumann auch kirchlich heiraten. Mømø Laumann sitzt mit dieser Tochter des Oberstadtbaurats in einem Café. Sie sagt:
    »Du hast meinen Vater geohrfeigt. Er hat sich dabei eine Plombe rausgebissen. Du hast ihm außerdem einen Ärmel aus seinem besten Jackett herausgerissen. Sein Büro sieht aus wie Dresden 1945! Du hast den Bürgermeister gezwungen, einen Radiergummi aufzuessen. Du hast nach dem Blindenhund des Pförtners getreten. Was ist nur in dich gefahren, Liebling? Gibt es einen vernünftigen Grund für diesen Amoklauf? Gibt es den?«
    Mømø Laumann antwortet: »Ja«.

    Was Memo Laumann denkt, während sie plappert:
    Es war Im Büro des Oberstadtbaurats. Wir standen vor einem Modell der Stadt. Der Oberstadtbaurat versuchte, mir den Verlauf eines neuen Autobahnzubringers zu erklären.
    Dabei nahm er einzelne Häuser aus dem Modell und warf sie mechanisch in oder neben den Papierkorb, so daß der Verlauf der Trasse deutlich wurde. Ich sah genau, worauf das hinauslief: Das Haus, in dem ich wohnte, würde auch unter die Hacke kommen. Der Oberstadtbaurat nahm mein Haus aus dem Modell und warf es in den Papierkorb. Ich hob es auf und stellte es wieder rein. Er schmiß es wieder raus, ich packte es wieder rein. Ich schrie ihn an, sein Kopf wäre eine Abrißbirne. Er brüllte zurück, ich sei eine infantile Dreckschleuder. Häuser rein — Häuser raus. Ich dröhnte, er würde Schmiergelder kassieren, er keifte, ich sei zu dämlich für den Beruf und entlassen. Immer weiter Häuser rein — Häuser raus. Ich wurde ernsthaft sauer und kippte den Inhalt des Papierkorbs über dem Modell aus. Da verfiel er in eine körperliche Starre...
    Ich war so in Fahrt, daß ich zum Mülleimer tigerte und mir aus dem Abfall eine gebrauchte Kaffeefiltertüte fingerte. Die klatschte ich ihm auf sein blütenweißes Oberhemd. Ich nahm mein Frühstückskefir aus der Schreibtischschublade und kippte es ihm oben in die Kammgarnhose rein. Er stand immer noch starr da. Kam erst zu sich, als ich anfing, das Modell abzufackeln.
    Der Oberstadtbaurat hühnerte hinter mir her. Da kippten die Möbel um, die Gardinen kamen runter, und die Akten lagen alle im Aufwind. Er verfolgte mich durch die Flure und Büros. Manchmal mußte ich anhalten und warten, bis er wieder näher ran war, damit er nicht die Lust verlor. Die Kolleginnen und Kollegen quietschten und johlten, Schreibmaschinen flogen durch die Luft, Mobiliar ging zu Bruch, es war ein Inferno.
    So was hatte die Behörde noch nicht erlebt: Ich vorneweg, der Oberstadtbaurat, dem das Kefir aus den Hosenbeinen lief, hinterher, und dahinter die wilde Meute. Die war wohl froh, mal richtig hinlangen zu können. Dann ging’s durch die Amtsräume des Bürgermeisters, der gerade Besuch von einer japanischen Delegation hatte. Ich ließ ihn in den Radiergummi beißen, was ihm vor den Gästen besonders peinlich war, dann weiter Richtung Ausgang. Bei der Pförtnerloge hätten sie mich fast erwischt. Da kam dieser treue deutsche Schäferhund raus, um nachzusehen, wer solchen Lärm auf den Fluren verursachte. Gottseidank war dieser Schäferhund ein Rüde: Ich konnte ihn mit links am Schwanz hochheben und mit der flachen rechten Hand auf die Eier hauen. Er fiel in Ohnmacht und ließ mich durch.

    Was des Oberstadtbaurats Tochter
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