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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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den Noteingang. Ich ziehe mich mehr mit den Händen vorwärts, als daß ich gehe, sehr sehr langsam. Bin ziemlich im Streß, komme aber vorwärts, immer besser. Die letzten zwei, drei Meter rutsche ich auf dem Bauch, aber zügig. Und dann hänge ich am Ende des Auslegers. Schlenkere mit den Beinen, überall ins Leere, finde nichts, wo ich mich draufstellen könnte.
    Geräteturner fangen erst in diesem Zustand mit ihrer Übung an, ich bin schon ziemlich am Ende. Hänge da rum wie ein nasses Saunahandtuch. Aber ich lasse nicht los, schaukle etwas, weil der Kran schaukelt, und warte. Irgend etwas muß ja passieren.
    Ich registriere sich nähernde Polizeifanfaren, quietschende Bremsen, das Brummen zahlreicher LKWs, dann den Marschtritt einer Kolonne, unverständliche Kommandos und Hundegebell.
    Das Licht geht an.
    Eine Hundertschaft der Polizei kommt diszipliniert die Rolltreppe heraufgefahren, im gleichen Augenblick erreicht eine Hundestaffel mit dem Fahrstuhl die bedrohte Etage.
    Ein Wasserwerfer durchbricht derweil im Parterre den Haupteingang und beginnt unverzüglich, alles anzufeuchten.
    Ich hänge acht Meter über der Damenoberbekleidung.
    Der Einsatzleiter meldet sich über Flüstertüte:
    »Achtung Achtung, hier spricht die Polizei. Sie nehmen an einer nicht angemeldeten Demonstration teil. Räumen Sie unverzüglich den Luftraum über den Kostümen, sonst müssen wir finale Zwangsmittel anwenden. Knüppel frei!«
    Die Polizisten schlagen mit den Knüppeln gegen Ihre Schilde, muntern sich auf und rücken in Karréform gegen mich vor. Sie können nicht zu mir hochsehen, weil ihre Helme verhindern, daß sie ihre Köpfe ins Genick legen, also schauen sie sich selbst gegenseitig tief in die Augen.
    Dann eilen sich die Herren mit dem Sprungtuch.
    Ich habe nicht mehr genug Kraft, um zurück zu kriechen. Außerdem haben sie wahrscheinlich längst die Kranbrücke besetzt.
    Der Wasserwerfer kommt aus dem Lastenaufzug. Die Kanone zielt erst auf eine Gruppe Schaufensterpuppen, fegt sie in die Vitrine mit den Seidenblusen. Richtet sich dann auf mich, schießt, zerfetzt das nächste völlig intakte Fenster.
    Und dann spritzen sie mich ab.



12.

    Gestorben bin ich im 63. Jahr,
    just, als ich zu gebrauchen war.
    Jesus, schmeiß mich Sündenlümmel
    in deinen Gnadenhimmel.
    Und schenke mit die ew'ge Ruh
    und einen Bobbel Shit dazu.
    Oh Wandrer, geh schnell fort von hier,
    sonst steh ich auf und prügel dir.
    Bern, 1876.

13.

    Freitagnachmittag.
    Es erscheint der fortschrittliche Anwalt und erreicht mit dem Hinweis auf den Nachweis eines festen Wohnsitzes meinerseits, daß ich das UG verlassen darf. Während der Autofahrt zu meiner Wohnung plädiert er für seine Berufsauffassung: »Selbstverständlich kommt da ein Strafverfahren auf dich zu. Eventuell läßt sich deine psychische Situation dann In Abzug bringen, wird sich also entlastend auswirken. Aber wir sollten das nicht forcieren. Ganz im Gegenteil. Und wenn du dich mit einer Geldstrafe zufriedengeben willst, dann sage ich dir gleich, das läuft nicht. Wir müssen angesichts der gesamtgesellschaftlichen Lage einen politischen Prozeß führen, denn das sind ja alles typische Erscheinungen spätmonopolistischer Kapitalverflechtungen, deren Opfer du geworden bist: Stadtsanierung, Korruption, Umweltzerstörung durch einen Autobahnzubringer und so weiter.
    Und wenn der Staatsschutzanwalt auch eine noch so drakonische Strafe beantragt: Wir können uns damit nicht zufriedengeben. Er muß alles bisher Dagewesene überbieten! Das mobilisiert öffentlichen Protest! Und das gibt mir dann reichlich Gelegenheit, eine unmenschliche Terrorjustiz irgendwie entschieden anzuprangern. Durch alle Instanzen.
    Wir haben für heute abend ein Vorbereitungstreffen organisiert, auch mit Vertretern anderer Initiativen, und mit jemandem von der Tageszeitung.
    Du hältst dich am besten ein bißchen zurück, weil, das Ganze muß ja, wie gesagt, jetzt auf eine politische Schiene gehoben werden.«
    Der Rechtsanwalt ist ein alter KPD/MLer. Große Praxis, jede Menge Mietshäuser. Jetzt DKP-nahe und enorm geldgierig. Er ist klein, rund und hat einen Schnauzbart wie das Pausenzeichen vom NDR. Er legt Wert darauf, daß sein Nachname französisch ausgesprochen wird.
    Ich kann diesen Typ eigentlich nicht ertragen. Halte ihn für einen inkompetenten Opportunix. Deswegen hat er so’n Zulauf... Aber der andere linke Anwalt, den ich kenne, der ist gerade auf Urlaub in Kenia.



14.

    Warum bringen sich die Leute
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