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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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anschließend in den Initiativen zu beraten. Adressen und Telefonnummern werden auf Bierdeckeln ausgetauscht. Ich kriege Gabis Daten und starre ihr dafür dankbar auf den Busen. Heidi will von Gabi auf dem Motorrad nach Hause gebracht werden, Heinzi bezahlt an der Theke, und Erni gibt mir ein Buch:
    »Kennst du das schon? Von Bernd Riebesehl, ein ganz aktueller Renner in der Ökoszene, Historische Materialien zur direkten Aktion im Sauerland 1909 bis 1911. Da wird also erstmal die typisch deutsche Arbeitsmoral analysiert, der moralische Wert der Arbeit an sich, nicht wahr, diese verkackte Arbeitsethik. Und dann haben die damals schon erkannt, daß es ja immer weniger Arbeit geben wird, wegen Automatisierung und Rationalisierung und so, und daß an die Stelle der Arbeitsethik eines Tages eine echte Freizeitethik gesetzt werden muß, und daß man dafür erstmal einen gediegenen philosophischen Unterbau entwickeln muß. Ich meine, daß die jetzt alles verkabeln und so tierisch mit ihren Medien rummachen, das zeigt ja, daß die Herrschenden erkannt haben, daß man der ehemals arbeitenden Klasse irgendwie einen Ersatz anbieten muß; wenn die für ihre gescheiterte libidinöse Beziehung zur Maloche keine alternative Befriedigung findet, wird sie ja vermutlich aufsässig und gefährlich, und deswegen müssen eben schleunigst neue moralische Maßstäbe her. Lies mal, und sag mir, was du davon hältst!«
    Erni geht auch, und ich lege das Buch unter ein Sitzkissen auf der Bank.
    Dann spiele ich den „Mythos einsamer Trinker.«



16.

    Ich habe einen überflüssigen Freitag hinter mir. Ich arbeite in einem Jugendkommunikationszentrum, bin da zuständig für den Gitarrenunterricht, die Malkurse für die Kleinen und Tischtennis. Mein Zeitvertrag läuft demnächst aus, die Stadt will ihn nicht verlängern.
    Heute habe ich zum Feierabend mal die Klos geschrubbt, dafür haben die Kids mir die Fahrradreifen zerschnitten.
    Ich schmeiße die Klamotten in die Ecke, gehe unter die Dusche und dann mit BBB ins Bett. Ich will weiterkommen mit dem Typ, will meinen Frust abbauen und ein positives Wochenende erleben. AAA folgt BBB in die Tiefe. Aha, Weiber:
    Alle Monster der unendlichen Geschichte sind Weiber, unberechenbare, undurchschaubare, unheimliche, unzugängliche, unzuverlässige Weiber. Sie haben die Macht, und damit wissen sie nichts Besseres anzufangen, als Herrschaft auszuüben. Die Weiber glotzen den Knaben BBB hypnotisch an: Mit merkwürdig verwirrendem Blick, daß der arme Junge aufs höchste beunruhigt ist; mit Blicken, die er nicht zu deuten weiß; mit Blicken, die er nicht ertragen kann; mit Blicken voller Rätsel; mit riesenhaftem, dunklem und leerem Blick, der ihn sogar lähmt; mit einem Blick voll unvorstellbarer Bosheit aus einem stahlblauen Gesicht mit einem einzigen Auge über der Nasenwurzel...
    BBB weiß gar nicht mehr, wo er hingucken soll, und das schon als 11 jähriger...
    An den »Mittelpunkt allen Lebens in Phantasia«, seine kindliche Kaiserin, kommt er nicht ran. Dieses infantile Rühr-mich-nicht-an ist schlau genug, nicht zu erscheinen, als BBB sie braucht.
    Mir fällt sofort Petra Kelly ein, aber ich schäme mich auch dafür. Gaya, die finstere Fürstin vom Gelichterland, macht BBB auch nicht an. Die krault ihn so intensiv zwischen den Schulterblättern, daß er für den Rest der Geschichte fast nicht mehr mit dem Arsch hochkommt.
    Ich denke fatalerweise an Hanna Schygulla. Die hat bestimmt immer kalte Füße.
    Oh, und die Dame Aiuóla! La Mama!
    Mütterlich bis zum Knochenfraß, null Sexualität. Will keinen Partner, nicht mal eine Partnerin, will nur Objekte für ihre Mütterlichkeit. Also — wieder hinein in den Uterus, BBB!
    In seiner unendlichen Geschichte ist das sogenannte Änderhaus die Gebärmutter, die den Knaben BBB wiederhaben will.
    Ich weiß, wie BBB empfindet, ich erkenne das Haus wieder: Es handelt sich um ein »Gebäude, das eher einem Riesenkürbis glich, denn es war kugelig, und die Wände hatten an vielen Stellen Beulen und Ausbuchtungen, sozusagen dicke Bäuche, was dem Haus ein behäbiges und gemütliches Aussehen verlieh«.
    »Mutti«, schluchze ich kurz auf, »Mutti...«
    Um mich schleunigst abzulenken, verschwende ich einige häßliche Gedanken an den Günter Grass.
    Und dann erst der üble Vamp Xayde!
    BBB muß zusehen, wie sie aus einer orientalischen Wasserpfeife raucht, und der Schlauch daran sieht aus wie eine smaragdgrüne Viper, und das Mundstück, das sie in ihren langen,
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