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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus
Autoren: Inez Corbi
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1.
    Grob zerteilte Karotten und Lauchstücke lagen auf dem Küchentisch, daneben die Blätter eines halben Kohlkopfs und drei kleine Zwiebeln. Mit etwas Glück würde das Gemüse eine essbare Suppe ergeben, und dazu hätten sie dann noch die Reste des gestern gebackenen Brots.
    Moira schob die Ärmel ihrer Bluse hoch und strich sich eine Strähne ihrer schwarzen Haare zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. Sie sehnte sich nach etwas Abwechslung in dem eintönigen Speiseplan, der jetzt, im Winter, meist nur Kohl und ähnliches Gemüse umfasste. Wie lange hatten sie schon kein Fleisch mehr gegessen? Aber wenn das der Preis für ein Zusammenleben mit Duncan war, wollte sie ihn gerne zahlen.
    Sie wuchtete den schweren Topf aus dem Regal und stellte ihn auf den Tisch. Sollte sie alles zugleich aufsetzen? Kurz entschlossen gab sie das gesamte Gemüse in den Topf, eine Kelle Wasser folgte. Sie griff nach dem Fässchen mit dem Salz. Wie viel Würze brauchte dieses Gericht? Moira tat sich noch immer schwer mit solchen Dingen. Schließlich warf sie eine großzügige Prise der weißen Körner hinein, hängte den Topf über das Feuer und schob ein weiteres Holzscheit in die Flammen.
    Auch wenn der Winter in Neuholland weniger streng war als in ihrer alten irischen Heimat, war sie froh über die Wärme, die die einfache Feuerstelle ausstrahlte. Für eine Weile stand sie dort und sah zu, wie die Hitze im Gemüse aufstieg und die Suppe langsam zu köcheln begann. Dann griff sie nach ihrem wollenen Schultertuch, öffnete die Tür und ging hinüber zu der kleinen Vorratshütte, die Duncan erst in der vergangenen Woche errichtet hatte. Auf dem umzäunten Stück Erde daneben fingen ihre drei Hühner aufgeregt an zu gackern, als Moira das Gatter aufsperrte.
    Auf der Wäscheleine, die sie auf der Wiese von Baum zu Baum gespannt hatte, flatterten Hemden und Strümpfe, die sie heute Morgen gewaschen hatte. An solchen Tagen wünschte sich Moira jemanden, der ihr diese anstrengende Arbeit abnehmen könnte. Jemanden wie Ann, die für solche Dinge zuständig gewesen war, als Moira noch in Toongabbie gelebt hatte. Sie hatte nicht gewusst, wie viel Anstrengung es bedeutete, auch nur die wenigen Kleidungsstücke zu waschen, die sie besaßen und die zum Teil schon arg verschlissen waren. Für Moira war es nicht länger wichtig, ihre Garderobe danach auszuwählen, ob sie ihren hellen Teint und ihre blauen Augen am besten zur Geltung brachte. Wichtiger war inzwischen, dass die Kleidung so lange wie möglich hielt. Ihre feingliedrigen, ehemals gepflegten Hände waren mittlerweile rau und rissig, und oft genug hatte sie Schmutz unter den Fingernägeln. Ihre Mutter wäre sicher entsetzt, könnte sie sehen, wie ihre Tochter hier lebte. Und doch hätte Moira dieses Leben um nichts in der Welt wieder hergegeben.
    Sie ließ den Blick über das Stück Land schweifen. Dreißig Morgen, die Duncan gehörten, seit er kein Sträfling mehr war. Eine leicht hügelige Fläche von dreihundert mal vierhundert Schritten, größtenteils bewachsen mit Gras und Büschen, im Süden begrenzt von einem schmalen Bach. In den vier Monaten, die seitdem vergangen waren, hatten sie Bäume gefällt, Wurzeln entfernt, Sträucher herausgerissen und Erde umgegraben. Wenn der Winter vorüber war, wür den sie ihre erste Saat ausbringen können. Hinter ihrer Hütte, wo Duncan demnächst eine Scheune für das Getreide bauen wollte, stapelten sich grobgeschnittene Bretter.
    Moira öffnete den Hühnerverschlag, griff hinein und tastete im Stroh herum. Nur ein Ei. Nicht gerade viel, aber besser als nichts. Duncan würde sicher wieder darauf bestehen, dass sie es bekam.
    Sie schloss den Verschlag – und fuhr zusammen, als sich ein dunkler Schatten neben dem Schuppen erhob. Vor Schreck ließ sie fast das Ei fallen.
    Â»Ningali!«
    Das Mädchen stand vor ihr, mit leuchtenden Augen in seinem lachenden, karamellbraunen Gesicht, bekleidet nur mit einem alten Hemd, um das es einen Leinengürtel geschlungen hatte und das ihm bis zu den Oberschenkeln reichte. Die lockigen, goldgesträhnten Haare nahmen sich seltsam fremd über der dunklen Haut aus.
    Es war ungewohnt, Ningali ohne ihren Dingo zu sehen, der sie sonst immer begleitet hatte. Vor einigen Wochen war er von einem Soldaten erschossen worden. »Willst du mit
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