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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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Handwerkszeug. Im Kellereingang finde ich alles, was ich brauche: Preßlufthammer und Spitzhacke. Ich schließe den Preßlufthammer an den Kompressor an, eine meiner leichteren Übungen, seine Strippe reicht bis zu meiner Wand. Und dann dieser höllische Krach!
    Die schlafenden Leute fallen aus ihren Betten wie die Tornados aus allen Wolken. Rappeln sich hoch, stürzen an die Fenster und auf die Balkone, starren entgeistert auf ihre Uhren und fangen an zu pöbeln. Beinharte Stimmung auf dem Hinterhof. Ich verstehe kein Wort von dem Geschrei, ich schufte. Die Wand ist weich wie Butterkeks, bei etwas mehr Zeit hätte ich sie auch mit dem Daumen eindrücken können. Das Loch ist groß genug.
    Ich bringe den Preßlufthammer zurück und schalte den Kompressor aus, weil ich mir vorstellen kann, wie verärgert die arbeitende Klasse sein muß, wenn sie am Montag bei Arbeitsbeginn ihr Werkzeug nicht in geordnetem Zustand vorfindet.
    Die hochgeschreckten Anwohner sind immer noch völlig außer sich. Sie bewerfen mich mit den übelsten Schimpfwörtern, »Sackgesicht« ist noch das harmloseste, und bemerken gar nicht, daß sie ihren Nachbarn oder ihre Nachbarin so noch nie gesehen haben: Im schwarz/grün/braun längsgestreiften Schlafanzug, in schlabbrigen Unterhosen, in Federbetten oder Laken gehüllt, mit einem Kopfkissen vorne vor und dazu noch ungekämmt. Eine erstklassige Mietervollversammlung.
    Ich verneige mich ringsum nach allen vier Seiten, werfe Kußhand und winke. Es ist ein großer Moment in meiner Karriere. Ich wäre sowieso lieber die umjubelte brasilianische Nr. 10 im Maracana-Stadion von Rio, die gerade einen Elfmeter verwandelt hat, als ausgerechnet in Klagenfurt ausgerechnet von Marcel Relch-Ranicki wirklich lobende Worte für mich zu hören. Locker grüßend trabe ich zum Loch und krieche durch.
    Schau an, ein Friseur. Dieser einmalige, durch nichts zu entschuldigende Duft...
    Neben den Kondomen bewahrt er die Zahnbürsten auf, Seife, Nagelreiniger, Kleiderbürste, Handtuch — alles da. Ich mach das Radio an und mich frisch.



18.

    Werbespot aus dem Radio:
    (Geschirr fliegt gegen die Wand)
    Sie: »Aber Liebling, was hast du denn?«
    Er: »Ich bin so aggressiv. Dieses T-Shirt, es ist nicht kuschlig. Damit kann ich doch auf kein einziges Friedensfest gehen!«
    Sie: »Was habe ich nur falsch gemacht?« Andere Sie: »Du hast sein Friedenshemd nicht mit Friedolind vorgebürstet und nachgeschleudert. Das macht ihn so aggressiv.«
    Ansager: »Für Ihren Hausfrieden: Friedolind aus dem Hause Mahathma Perlweiß. So kuschlig. Zum Friedensprobierpreis.« (Friedenstusch)



19.

    Fertig, echt schnieke. Dieser Frisiersalon hat mir gutgetan. Ein bißchen unglücklich für den Inhaber, daß mein gerader Weg nicht durch seine Ladentür führt, sondern durch das Schaufenster. Aber in Krisenzeiten muß die Bevölkerung auch mal zu Opfern bereit sein. Ich lege die Schaufensterscheibe mit Hilfe des Kinderfrisierstuhls auf den Bürgersteig. Hoffentlich löst niemand, durch das Geschepper in seiner Wachsamkeit gefordert, falschen Alarm aus; ich bin schließlich kein Einbrecher.
    Ich trete wie ein seriöser Mensch auf die Straße. Meine Berechnung hat sich als richtig herausgestellt, jedenfalls fast. Gabi wohnt gegenüber. Zwar ist dort nicht genau der Hauseingang, aber immerhin ein Fenster. Ich stelle den Kinderfrisierstuhl darunter, klettere hoch, gucke durch.
    Gabi macht das Fenster auf — zum Glück nach innen.
    »Ej, Mann, da bist du ja«, sagt sie, »ej, Leute, das ist der Typ. Wir haben gerade von dir gesprochen. Komm rein, Laui.«
    Alle möglichen fremden Arme helfen mir rein.
    Man trinkt echt okzitanischen Landwein aus Bierund Wassergläsern in einer geräumigen Wohnküche an einem ungehobelten Tisch. Dann werden dem Laui die üblichen Szene-Is vorgestellt:
    Mannl, Werni, Berni, Fritzi,
    Michi, Uschi, Gerti,
    Peggy, natürlich,
    und ein riesiger alter Labrador: Trotzki.
    Manni und Werni streiten sich um die Frage, ob man in der Afghanistan-Frage mit der CDU gemeinsam abstimmen dürfe. Berni liest einen Comic. Peggy ist geil und will Michi rumkriegen. Uschi ist stinkbesoffen. Fritzi erzählt Gerti, wie das 1968 war. Gabi streichelt Trotzki. Aber alles im Endstadium. Peggy plustert sich in ihrem schwarMømøzen Gewand auf und führt Michi ab, Manni und Werni wollen das Thema weiterhin, aber frühestens am Wochenende, kontrovers diskutieren, Uschi pennt mit der Stirn auf der Tischplatte, Gerti wirft Fritzi das Versagen
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