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Mrs Murphy 04: Virus im Netz

Mrs Murphy 04: Virus im Netz

Titel: Mrs Murphy 04: Virus im Netz
Autoren: Rita Mae Brown
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    »Gemütlich« war das meistbenutzte Wort, um die Kleinstadt Crozet zu beschreiben, nicht »malerisch«, »historisch« oder »hübsch«. In Mittelvirginia im Allgemeinen und Albemarle County im Besonderen gab es jede Menge malerische, historische und hübsche Ortschaften, aber Crozet gehörte nicht dazu. Eine behagliche Geschäftigkeit herrschte in der Gemeinde. Viele Familien lebten dort schon seit Generationen, andere waren Neuankömmlinge, herbeigelockt von der betörenden Anziehungskraft der Blue Ridge Mountains. Ob alt oder neu, reich oder arm, schwarz oder weiß, die Bewohner der Stadt nickten und winkten einander aus dem Auto zu, riefen und winkten von der anderen Straßenseite, und wer zu Fuß unterwegs war, konnte sich darauf verlassen, dass jemand ihn im Wagen mitnahm. Heckenzäune boten den idealen Rahmen für fruchtbaren Klatsch, während die Leute von der Gartenarbeit ausruhten. Wer was mit wem machte, wer was zu wem sagte, wer wem Geld schuldete und, Glanzpunkt allen Tratsches, wer mit wem schlief. Das Gerede verstummte nie. Selbst im tiefsten Schnee griffen die Bewohner von Crozet zum Telefon, um das Neueste loszuwerden. Handelte es sich um etwas wirklich Pikantes, zog man sich warm an und eilte durch den Schnee zu einer heißen Tasse Kaffee, dem Begleiter aller anzüglichen Gespräche unter Freunden.
    Das Stadtzentrum bestand aus dem Postamt, den drei Hauptkirchen – lutherisch, baptistisch und episkopalisch – nebst einem kleinen Ableger, der Kirche zum Heiligen Licht; den Schulen – vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse –, Market Shifletts kleinem Lebensmittelgeschäft und einer Pizzeria mit Namen Crozet Pizza. Da man nur in jeweils einer Kirche betete, blieben die Vorgänge in den anderen drei Kirchen womöglich ein Geheimnis. Der kleine Laden bot reichlich Gelegenheit, sich auf dem Laufenden zu halten, nur musste man natürlich auch etwas kaufen. Außerdem musste man aufpassen, dass Pewter, Markets dicke graue Katze, einem nicht das Essen klaute, bevor man dazu kam, es zu verzehren. Die Schulen waren ebenfalls eine gute Informationsquelle, doch wer kinderlos war oder seine Lieblinge endlich auf dem College hatte, war von der Versorgung abgeschnitten. Somit fiel dem Postamt die zweifelhafte Ehre zu, als Haupttreffpunkt zu dienen, als Klatschzentrale.
    Die Posthalterin – diese Bezeichnung war ihr lieber als der offizielle Titel Postvorsteherin – Mary Minor Haristeen frönte selten dem, was sie unter Klatsch verstand, das heißt, wenn eine Geschichte für sie nicht stichhaltig war, erzählte sie sie nicht weiter. Ansonsten verbreitete sie Neuigkeiten ausgesprochen gern. Ihre inoffizielle Assistentin, Mrs Miranda Hogendobber, die Witwe des ehemaligen Postvorstehers, genoss die »Neuigkeiten«, aber bei Rufmord hörte für sie der Spaß auf. Wenn die Leute anfingen, andere in den Dreck zu ziehen, ermahnte Mrs Hogendobber sie zur Mäßigung oder brachte sie kurzerhand zum Schweigen.
    Harry, wie Mary Minor liebevoll genannt wurde, meisterte ihre Aufgaben mit Bravour. Noch ziemlich jung für diesen Posten, profitierte sie von Mirandas Erfahrung. Aber Harrys hilfreichste Assistentinnen waren Mrs Murphy, ihre getigerte Katze, und Tee Tucker, ihre Welsh-Corgi-Hündin. Sie schwelgten in Klatsch. Nicht nur das Treiben der Menschen hielt sie in Bann, sondern auch die Macken der Tiergemeinschaft, von denen jeder Hund berichtete, der sein Herrchen ins Postamt begleitete. Was den Hunden entging, fand Pewter nebenan heraus. Wenn sie etwas zu erzählen hatte, rannte die rundliche graue Katze zum Hintereingang des Postamts, um es auszuplaudern. In den vergangenen Jahren hatten die Katzen so oft an der Tür gekratzt und solch einen Radau veranstaltet, dass Harry schließlich ein Katzentürchen eingebaut hatte, damit die Freundinnen nach Belieben kommen und gehen konnten. Harry hatte eine Abdeckplatte konstruiert, mit der sie die Tierpforte abschließen konnte, weil das Postamt jede Nacht vorschriftsmäßig verriegelt werden musste.
    Nicht, dass es im Postamt von Crozet viel zu stehlen gab – Briefmarken, ein paar Dollar. Aber Harry befolgte die Vorschriften gewissenhaft, da sie Staatsbeamtin war, eine Tatsache, die sie unendlich amüsierte. Sie hatte für die Bundesregierung nicht viel übrig und konnte die Staatsregierung kaum ertragen, die sie als Eldorado der Kleingeister betrachtete. Aber immerhin wurde sie von dem aufgeblähten Regierungsapparat am Nordufer des Potomac bezahlt, also
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