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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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Witwen. Zugegeben — noch nie mußte sich ein Mann verbrennen, weil seine Frau gestorben ist. Nein, dieser Aspekt darf nicht übersehen werden.
    Klar ist, wenn die Proviantierung der Exilierten nicht so sorgfältig vonstatten gegangen wäre, bräuchten die Steuerzahler heute keine langweiligen Museen zu subventionieren.
    Dann gibt's trotzige Leute, die sagen, nix Schlaf, nix Reise — wir behalten den Leichnam bei uns, egal, ob als Mumie oder Schrumpfkopf. Das fängt an beim Kannibalismus, dem die Leute ja frönen, weil sie sich die Schlauheit oder die Kraft des Toten selbst einverleiben wollen, wenn's sein muß auch als Keks, hergestellt in der staatlichen Produktionsgesellschaft zur Verwertung von Human-Ressourcen, oder als Rauch aus der Asche eines Haschrebellen, die einen auch nochmal leicht ankickt. Das setzt sich fort bei der Reliquienverehrung, wo das christliche Abendland jede Menge Kniescheiben oder skelettierte kleine Finger anzubieten hat, und bei einer Unzahl Fotos Gestorbener an den wänden, und das ist beim GenosMømøsen Lenin noch lange nicht zu Ende. Denn wie das Moskauer Mausoleum mit der geschönten Leiche im gläsernen Sarkophag mit dem angeblich so diesseitigen' materialistischen Denken zusammenpaßt: Das soll mir mal jemand erklären. Das ist nichts anderes als Trotz.
    Schließlich die Leute, die weder schlaf, noch Reise, noch Trotz akzeptieren: Die wissen's ganz genau. Die haben nämlich den richtigen Glauben. Die glauben zu wissen, daß der Mensch in zwei Teile zerfällt — in die sterbliche Hülle und die unsterbliche Seele, im Moment des Todes startet die ewig lebende Seele aus dem toten Körper wie die Luftblase aus einem versenkten u-Boot.
    Am leichtesten machen es sich die Leute, die glauben, bald wieder »da« zu sein und sich an den diversen Wiedergeburtstheorien festhalMømøten. Die einen behaupten, daß sie diese oder jene Kneipe aus ihrem früheren Leben ganz genau kennen, erinnern sich an Situationen, die sie irgendwo schon mal erlebt haben. Wieder andere erzählen was vom Kreislauf der Natur, und daß sie demnächst als Chlorophyll auf einem gediegenen Rhododendron hocken.
    Dabei ist nur eines eigenartig:
    Die Wissenschaftler schicken allen möglichen menschlichen Symbolkram per Sonde ins Universum, in der Hoffnung, jemand werde diese Symbole eines Lichtjahres aus dem All angeln, sie als Lebensäußerungen intelligenter wesen deuten und auch noch entschlüsseln, um dann seinerseits eine Flaschenpost abzulassen.
    Das halten diese Wissenschaftler also für denkbar und daher machbar. Die nehmen ihre Science-fiction wirklich ernst.
    Aber ihre Versuche, mit dem Stiefmütterchen im Vorgarten, dem Stein am Strand, der Birke im Stadtpark oder auch der Ratte in ihrem Keller Gedanken auszutauschen und eine gemeinsame Ebene herzustellen, die über die Dressur hinausgeht, sind alle gescheitert.
    Die einzig wahre Beziehungskiste ist der Sarg. Echt. (Aber ich habe einige Genossinnen und Genossen auch schon durch Heirat verloren...)



7.

    Ich, Mømø Laumann, im guten bösen Gefühl temporärer Freiheit, aus dem Café kommend, im Regen stehend, sehe eine Reihe Taxen, Mercedes allesamt. Der revolutionäre Elan des Nachmittags, noch nicht erlahmt, kriegt durch den Anblick der staatstragenden Karossen einen zweiten Wind.
    (»...es kann keine Revolution geben ohne weitreichende Zerstörung, ohne rettende und fruchtbringende Zerstörung, weil nämlich aus ihr und nur durch sie neue Welten entstehen. Eine solche Zerstörung ist mit dem bourgeoisen Bewußtsein, mit der bourgeoisen Zivilisation, unvereinbar, da diese Zivilisation ganz auf der fanatischen Vergötterung des Eigentums beruht. Der Bürger oder Bourgeois wird eher Leben, Freiheit und Ehre opfern, als daß er auf sein Eigentum verzichtete. Ein Anschlag auf sein Eigentum oder dessen Zerstörung... erscheint ihm als Sakrileg.« Sagt Michail Bakunin.)
    Mal sehen, ob man an alte Zeiten anknüpfen kann. Revolutionsétude für einen Sprinter:
    Ich betrete den Kofferraum des Sakrificiums, hüpfe zierlich auf das Dach, schreite rüstig voran, springe vom Dach auf die Motorhaube. Kurzer konzentrierter Anlauf, Sprung, Landung auf dem Kofferraum des davorstehenden. Wieder aufs Dach, dann Motorhaube, Sprung, der nächste. Ich laufe über sechs Taxen rüber.
    Und sechs Taxifahrer, erst verdutzt, danach empört und außerordentlich lynchlüstern, legen ihre Bild-Zeitungen aus der Hand.
    Ich springe von der Motorhaube des Spitzentaxis auf die Straße
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