Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
Vom Netzwerk:
wahrhaben will, wie dieser Idiot Glucksmann, kann ja weiterhin am formalen Aspekt herumbasteln...



39.

    Die Schneise hat den Opernplatz erreicht.
    Zu Lohengrins Zeiten war hier noch Wald. Aber wer erinnert sich schon daran? Diesen Wald vermißt niemand — genausowenig wie fliegende Echsen, Dinosaurier oder Wölfe. Die Leute vermissen den Wald auf dem Opernplatz kein bißchen — und in absehbarer Zeit wird er ihnen auch im Spessart oder sonstwo nicht fehlen. Warum sollten die, die überhaupt keinen Wald kennen, ihn vermissen?
    Oh, ich bin etwas müde.
    Alle merken, daß sie letzte Nacht nicht geschlafen haben.
    Diesen riesigen Platz werden wir wohl heute nicht mehr aufforsten. Jetzt machen wir nur noch das Opernhaus platt, und dann ist Schluß.
    Noch 300 Meter gerader Weg bis zu Mømø Laumanns Zuhause...
    Die Leute sind geschafft, diese Art von kollektiver Anstrengung sind sie nicht gewöhnt. Sie legen das Werkzeug aus der Hand und lassen sich nieder, wo sie gerade stehen. Einige schlafen sofort ein, andere schleppen ihre erschöpften Kinder nach Hause. Viele gönnen sich ein Bier, manche dösen vor sich hin.
    Trotzki ist auch nicht mehr frisch. Aber er zieht wacker mit. Ich schiebe mit schweren Armen und weichen Knien den Aldi-Wagen geradewegs auf das Opernhaus zu.
    Das ist die Stunde des Dynamits. Alfred Nobel, alter Kamerad, hab’ Dank. Zwar wollen mir die schwedische Akademie oder das norwegische Königshaus nichts von deinem Vermögen abgeben, aber was wissen die schon, wie man deine Erfindung nutzbringend anwendet. Diese Schlangengrube der bürgerlichen Kultur abzuräumen verdiente doch schon wegen des unbestreitbaren hygienischen Aspektes einen Preis — und wenn nicht den für den Frieden, dann doch wenigstens den für Medizin...
    Dies ist die Rückfront des Opernhauses. Der Haupteingang befindet sich auf der anderen Seite, meinem Wohnhaus gegenüber. Ich werde ihn als Ausgang benutzen.
    Hinter dieser Wand steckt ja wohl der Bühnenraum. Und dieses mächtige eiserne Schiebetor mit der Rampe davor, das ist der Feind.
    Ich packe das Dynamit in jede Nische und jeden Winkel, auch in die Halterungen für die Beflaggung und den Schacht der Klimaanlage.
    Das Schiebetor sieht aus wie ein ordentlich gespickter Hasenrücken, ich klebe den Sprengstoff an allen neuralgischen Punkten mit Isolierband fest. Es ist eine Höllenarbeit. Und dieses ganze Feuerwerk zu verkabeln, dauert auch seine Zeit.
    Es ist später Nachmittag, als ich mit Trotzki und dem Wagen hinter unserem antiken Springbrunnen in Deckung gehe und die Zündmaschine bediene.
    Diese Explosion hätte auch einem amerikanischen Armeehauptquartier in Beirut (oder Wiesbaden?) wohl angestanden.
    Jedenfalls, das Schiebetor ist zerkrümelt und das Loch in der Wand so groß, daß man ohne weiteres mit einem Lkw auf die Bühne fahren kann. Die Zuschauer hätten, fände eine Vorstellung statt, einen schönen Blick ins Freie.
    Der Staub verzieht sich. Trotzki, der Wagen und ich gehen gemeinsam in die Oper.
    Wir betreten die Bühne, haben den langen Gang nach vorn an die Rampe; zum Glück ist der Orchestergraben abgedeckt, so daß es nicht schwierig ist, den Mittelgang zu erreichen. Gemessenen Schrittes schreiten wir leicht bergan, gelangen dann durch eine pompöse Flügeltür ins Foyer und von dort über die marmorne Freitreppe zum Haupteingang. Und der ist verschlossen. Also noch einmal die Spitzhacke, der Vorschlaghammer, das Brecheisen.
    Nun habe ich aber keine Lust mehr.
    Schließlich ist auch dieses letzte Hindernis geknackt, noch gut 100 Meter, und ich hab’s hinter mir.
    Aber da steht der Bürgermeister. Leo, der Radiergummifresser, steht da mutterseelenallein und wartet auf mich.
    »Laui«, sagt er, »Laui, wenn ich früher erfahren hätte, daß Sie es sind, ich wäre auch schon viel früher gekommen. Warum haben Sie mir das nicht gesagt? Haben Sie denn kein Vertrauen zu Ihrem Bürgermeister? Beeindruckend, diese Leistung, Laui, sehr beeindruckend!«
    Und dann will er mir seine dicke feuchte Hand geben, aber Trotzki geht dazwischen und will ihn beißen. Trotzki ist wirklich ein leuchtendes Beispiel für ungebrochenen Widerstandsgeist.
    Wir gehen weiter, und der Bürgermeister bleibt einfach neben mir. Faßt mich sogar vertrauensvoll am Oberarm: »Tja, lieber Freund, ich bin stolz auf Sie, stolz auf Ihre Leistung. Ihre Initiative und Ihr bewunderswerter Einsatz, Ihre Bereitschaft zu ungewöhnlichem Handeln, Ihre Risikofreudigkeit und Ihr Mut zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher