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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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Situation.
    Vor einem halben Jahr, kurz nachdem Henriks Seitensprung aufgeflogen war, hatte sie mit der professionellen Effektivität der Juristin dafür gesorgt, dass dem Gericht alle für die Scheidung erforderlichen Unterlagen zugingen. Da sie Kinder unter sechzehn Jahren hatten, war eine Bedenkzeit von sechs Monaten erforderlich, bevor die Ehe geschieden werden konnte.
    Nora brauchte keine Bedenkzeit. Sie war sich absolut sicher, dass sie nicht länger mit Henrik verheiratet sein wollte. Sie konnten kaum zwei Worte miteinander reden, ohne Streit anzufangen, und wenn sie ihn anrufen musste, schob sie es so lange wie möglich hinaus. Aber manchmal ging es nicht anders. Bei zwei Söhnen von sieben und zwölf gab es ständig irgendetwas, das besprochen werden musste.
    Doch jedes Mal, wenn sie seine Nummer wählte, hoffte sie, dass der Anrufbeantworter sich meldete.
    Am schlimmsten war es, wenn Marie dran war, die Neue an Henriks Seite. Sie waren im Sommer zusammengezogen, und Marie hatte sich in dem Reihenhaus in Saltsjöbaden, das so viele Jahre lang Noras und Henriks Zuhause gewesen war, schnell eingelebt. Marie hatte eine helle, etwas quäkende Stimme, und sie sprach schnell und atemlos, so als sei sie permanent erstaunt über diese Welt. »Marieafgrénier«, meldete sie sich in einem Atemzug.
    Jedes Mal dachte Nora säuerlich, dass ihre Exschwiegermutter nun sicher zufrieden war. Endlich hatte ihr heiß geliebter Sohn, der Herr Radiologe, eine Frau gefunden, die in die feine Gesellschaft passte. Maries Familie war adelig, zwar nur verarmter Landadel, aber immerhin Mitglied des schwedischen Riddarhuset, und Marie war auf einem Gutshof aufgewachsen.
    Genau das, was Henriks Mutter Monica Linde sich jahrelang für ihn gewünscht hatte, statt Nora, die zwar examinierte Juristin war, aber auch die Erste in ihrer Familie, die studiert hatte.
    Bald war Simons Geburtstag, und sie musste es schaffen, ihn zusammen mit Henrik zu feiern, ganz gleich, was sie von ihrem Exmann hielt. Aber bei dem Gedanken an die Geburtstagsfeier zog sich ihr der Magen zusammen.
    Nora stupste mit dem Fuß den Haufen Schmutzwäsche auf dem Boden an.
    »Adam«, rief sie in Richtung Wohnzimmer, wo er vor dem Fernseher saß. »Komm und räum deine Sachen auf.«
    Sie wartete einen Moment, dann rief sie wieder, nachdrücklicher diesmal:
    »Adam!«
    Das Geräusch von Schritten verriet, dass der schärfere Tonfall Wirkung gezeigt hatte. Ihr Sohn kam maulend näher.
    »Musst du dauernd rummeckern?«
    Obwohl es das Letzte war, was sie wollte, spürte Nora, wie sie ärgerlich wurde.
    »Ich meckere, weil du mich dazu zwingst. Wenn du ein bisschen ordentlicher wärst, müsste ich es nicht.«
    »Papa meckert nie.«
    Nora zuckte innerlich zusammen. Mit unbeirrbarer Präzision hatte Adam einen Pfeil abgeschossen, der genau ins Schwarze traf.
    »Aber jetzt bist du bei mir und nicht bei Papa.« Sie bereute ihre Worte sofort, konnte sie sich aber nicht verkneifen. »Außerdem hat Papa eine Putzhilfe, die können wir uns nicht leisten.«
    Ein verächtlicher Blick war alles, was sie als Antwort bekam.
    Ich will doch, dass sie sich bei mir wohlfühlen, dachte Nora. Warum endet es immer damit, dass ich an ihnen herumnörgle?
    Wie zur Bestätigung ihrer düsteren Gedanken fing sie aus den Augenwinkeln ihr Spiegelbild auf.
    Sie war schon immer schlank gewesen, aber jetzt war sie mager. Wenn sie wegen ihres Diabetes nicht gezwungen wäre, regelmäßig zu essen, würde sie das Essen komplett vergessen, denn im vergangenen halben Jahr war ihr jeglicher Appetit vergangen. Ihr schulterlanges rotblondes Haar brauchte dringend einen Schnitt, und unter den grauen Augen lagen dunkle Ringe.
    Nora wusste selbst, dass sie nicht genügend Schlaf bekam, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das ändern sollte. In ihrem Aktenkoffer lag ein Stapel von Dokumenten, die sie innerhalb einer Woche durcharbeiten musste. Es würde wieder ein langer Abend werden.
    »Ich kann dir helfen«, sagte sie versöhnlich und bückte sich, um ein paar schmutzige Socken und Unterhosen aufzusammeln, die unter dem Bett lagen.
    »Mhmm.« Er blickte nicht auf.
    »Adam, komm jetzt. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber wir müssen es doch wenigstens versuchen.«
    »Mhmm«, kam es wieder.
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Du, hör mal …« Sie nahm innerlich Anlauf. »Ich dachte, wir könnten am nächsten Wochenende nach Sandhamn fahren, was meinst du? Du kannst einen Freund mitnehmen, wenn du
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