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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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die Schwelle trat.
    Die Leiche hing immer noch am Haken unter der Decke, würde aber bald vorsichtig abgenommen und in die Rechtsmedizin nach Solna gebracht werden.
    »Guten Morgen«, sagte Nilsson und nickte Margit zu.
    Sie ging weiter ins Zimmer hinein und sah sich um, während sie die Gummihandschuhe anzog, die er ihr gegeben hatte.
    Das Zimmer war relativ groß für eine Studentenbude, bestimmt um die zwanzig Quadratmeter, schätzte sie. Recht gemütlich, auch wenn der Papierkorb von Pizzakartons überquoll und offenbar lange nicht Staub gesaugt worden war.
    »So schön haben die Studenten zu meiner Zeit nicht gewohnt«, sagte Nilsson hinter ihrem Rücken. »Wir mussten uns mit Buden begnügen, in denen man sich kaum umdrehen konnte.«
    Ein ordentlich gemachtes Bett stand gleich links neben der Tür, und hinten am Fenster sah sie einen Schreibtisch mit untergeschobenem Drehstuhl. An einer Wand hatte Marcus Nielsen ein weißes Bücherregal von Ikea aufgestellt, das Modell, das im Guinness-Buch der Rekorde als das meistverkaufte Regal der Welt verzeichnet war. Gegenüber vom Bett führte eine Tür zu einem kleinen Duschbad. Margit konnte durch den offenen Türspalt ein paar Rollen Toilettenpapier erkennen.
    »Da hast du seinen letzten Gruß.«
    Nilsson zeigte auf ein Blatt Papier, das auf dem Kopfkissen lag.
    »Ein Abschiedsbrief?«
    Er nickte und las vor:
    »Vergebt mir, aber es ist alles so schwer. Marcus.«
    Margit beugte sich vor und studierte den Zettel.
    »Das ist ein Computerausdruck.«
    »Ja.«
    »Aber nicht unterschrieben.«
    »Nein.«
    »Und wo ist der Computer?« Sie blickte zum Schreibtisch, der mit Papieren und etlichen aufgeschlagenen Büchern übersät war. »Habt ihr ihn schon sichergestellt?«
    »Nein, ich habe keinen gesehen.«
    »Womit hat er das dann geschrieben?«
    Nilsson zuckte die Schultern.
    »Gute Frage.«
    Margit ging zum Schreibtisch und sah in den Schubladen nach. Als sie den Kleiderschrank öffnete, fiel ihr ein großer Haufen Klamotten entgegen, die nachlässig hineingestopft worden waren, saubere und schmutzige in heillosem Durcheinander. Unter dem Bett entdeckte sie einen Rucksack. Sie öffnete ihn, aber er war leer.
    »Hier ist jedenfalls kein Computer.« Sie drehte sich wieder zu Nilsson um. »Kennst du irgendjemanden aus seiner Generation, der ohne so ein Ding leben kann?«
    »Er scheint auch keinen Drucker zu haben.«
    Nilsson hatte recht. Im ganzen Zimmer gab es weder einen Drucker noch Druckerpapier.
    »Wenn der Selbstmord lange geplant war, hat er den Abschiedsbrief vielleicht woanders ausgedruckt, beispielsweise in der Uni«, sagte der Kriminaltechniker.
    »Möglich.«
    Margit ging wieder zu dem Toten. Die Zimmerdecke war etwas höher als üblich, sodass sich seine Körpermitte etwa auf Augenhöhe befand.
    Er trug ein graues Kapuzensweatshirt und abgewetzte Jeans. Ein dunkler Fleck im Stoff zeugte davon, dass sich der Darm im Moment des Todes entleert hatte. Der Gestank schlug ihr entgegen, als sie um den Körper herumging, sie wich instinktiv zurück und wandte das Gesicht ab. Dann trat sie ein paar Schritte beiseite, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
    Marcus Nielsens Gesichtsausdruck war zu einer wilden Grimasse erstarrt. Die Augen waren halb geschlossen, und in einem Mundwinkel hatte sich Speichel gesammelt. Die Lippen waren verzerrt, Margit überlegte, ob er wohl versucht hatte zu schreien, als die Schlinge sich zuzog.
    Hatte er seinen Entschluss bereut, als die Füße den Halt verloren? Oder war es nur ein Muskelkrampf, ausgelöst vom vegetativen Nervensystem des Körpers?
    Sein Haar war unnatürlich schwarz, ein Eindruck, der durch die Leichenblässe des Gesichts noch hervorgehoben wurde.
    »Das kann nicht seine natürliche Haarfarbe sein«, sagte Margit.
    »Glaube ich auch nicht«, erwiderte Nilsson. »Aber das wird die Obduktion zeigen.«
    »Was glaubst du, wie lange er schon tot ist?«
    Nilsson strich sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken.
    »Mindestens fünf, sechs Stunden. Die Leichenstarre hat bereits eingesetzt.«
    Margit musterte die Seilschlinge aus verschiedenen Blickrichtungen. Sie schnitt tief in den Hals, dessen Haut dunkelrot mit einem Stich ins Purpurne verfärbt war. Das andere Ende des Seils war mit einem stabilen Knoten an einem Lampenhaken an der Decke befestigt.
    »Wie ist er da hochgekommen?«, murmelte sie und beantwortete gleich darauf ihre Frage selbst. »Wahrscheinlich ist er auf den Schreibtisch geklettert, hat sich
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