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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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überhaupt keinen gesehen«, sagte Amanda.
    »Waren Sie und Marcus eng befreundet?«
    »Ja.«
    Amanda griff nach einem Glas Wasser, das auf dem Tisch stand, und trank ein paar Schlucke.
    »Also, wir haben zusammen gelernt. Die ganzen letzten Semester. Wir haben zur selben Zeit an der Uni angefangen. Aber wir waren kein Paar oder so was.«
    »Womit habt ihr euch aktuell beschäftigt?«
    »Wir haben ein Seminar zum Thema Gruppen und Gruppenprozesse belegt und waren dabei, unsere Hausarbeit zu schreiben.«
    »Wissen Sie, ob Marcus einen Laptop hatte?«
    Ein Anflug von Verwirrung huschte über Amandas Gesicht, als hätte sie die Frage nicht ganz verstanden.
    »Klar hatte er einen.«
    »Wir können ihn nicht finden.«
    Das Mädchen schien einen Moment nachzudenken.
    »Haben Sie in seinem Rucksack nachgesehen? Oder im Bett? Meistens hat er im Bett gelegen und geschrieben.«
    »Nicht am Schreibtisch?«
    »Nee, da hatte er nur seinen ganzen Kram.«
    »Wissen Sie, ob er einen Drucker in seinem Zimmer hatte?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich habe jedenfalls keinen gesehen.«
    »Sicher?«
    Amanda nickte.
    »Und wo hat er seine Sachen dann ausgedruckt?«
    Das Gesicht der jungen Frau hatte wieder etwas Farbe bekommen. Sie wirkte gefasster als vorhin, zog aber immer noch nervös an den Ärmeln ihres Pullovers. Sie waren schon ausgeleiert und reichten bis über die Fingerknöchel.
    »In der Uni gibt es Drucker, die jeder benutzen kann. Das machen die meisten, ich auch.«
    Daran war nichts Ungewöhnliches, dachte Margit. Ein Selbstmord wurde oft im Voraus geplant. Wenn Marcus Nielsen keinen eigenen Drucker besaß, hatte er den Abschiedsbrief vermutlich irgendwo anders ausgedruckt. Er konnte seinen Selbstmord seit Wochen, vielleicht gar Monaten geplant haben.
    Das Einzige, was nicht richtig passte, war, dass er Amanda gebeten hatte, an diesem Morgen hierherzukommen. Aber vielleicht wollte er schnell gefunden werden?
    »Wann habt ihr verabredet, dass ihr euch heute hier treffen wollt?«
    »Freitag, in der Bibliothek, als wir merkten, dass wir mit der Arbeit nicht fertig werden.«
    Margit machte den Rücken gerade. Der Stuhl war hart und unbequem, ein billiger Holzstuhl, der sicher nicht mehr als ein paar Kronen gekostet hatte. Aber Studentenwohnheime waren ja auch nicht gerade bekannt für teure Einrichtung.
    »Hat Marcus sich in der letzten Zeit irgendwie anders verhalten als sonst? War er überdreht? Oder niedergeschlagen?«
    Amanda schüttelte den Kopf.
    »Nein, er war genau wie immer. Deshalb begreife ich auch nicht …«
    Ihre Stimme versagte. Die Tränen begannen wieder zu fließen.
    Margit wartete darauf, dass sie sich beruhigte. Das Mädchen musste mit einem Streifenwagen nach Hause gebracht werden, sobald sie hier fertig waren.
    »Hat er jemals davon gesprochen, sich umzubringen?«
    »Nein, nie.«
    Amandas Antwort kam schnell und mit Nachdruck.
    »Da sind Sie ganz sicher?«
    »Ja.«
    »Und ihr wart so gut befreundet, dass Sie gemerkt hätten, wenn er über irgendwas nachgegrübelt hätte?«
    Amanda nickte so heftig, dass ihr dunkles Haar über die Stirn fiel und ihr Gesicht verdeckte.
    »Ja, wir haben über fast alles gesprochen.«
    Margit beugte sich vor.
    »Ich muss das jetzt fragen, auch wenn es hart für Sie ist. Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum er sterben wollte?«
    »Nein, das habe ich doch schon gesagt.« Amandas Tonfall klang jetzt trotzig, und sie sah Margit direkt in die Augen. »Marcus war nicht deprimiert. Er war ein stiller Typ, aber nicht auf die Art.«
    Selbstmörder reden nicht immer über ihre Absicht, dachte Margit. Aber die Statistik sprach ihre eigene Sprache. Es war eher die Regel als die Ausnahme, dass Freunde und Angehörige steif und fest behaupteten, es habe keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass etwas nicht stimmte.
    Sie nahm eine plötzliche Bewegung wahr und drehte den Kopf. Im selben Moment betrat ein hochgewachsener Mann die Küche.
    Der blonde Haarschopf, in dem sich erste Silberfäden zeigten, war zerzaust; anscheinend hatte er sich nur mit den Fingern gekämmt. Seine Augen waren verquollen, als wäre er gerade erst aus schwerem Schlaf erwacht, und die breiten Schultern hatte er leicht nach vorn geschoben.
    Sein kaum wahrnehmbares Hinken, eher zu ahnen als tatsächlich zu sehen, erinnerte Margit daran, wie nahe er dem Tod gewesen war, draußen auf dem Eis vor Sandhamn im letzten Winter.
    »Hallo, Thomas.«

Tagebucheintrag 24. Oktober 1976
    Morgen ist es soweit. Da
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