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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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die Schlinge um den Hals gelegt und ist gesprungen.«
    Sie ließ den Blick prüfend über die Leiche wandern. Marcus Nielsen war ziemlich dünn und nicht sehr groß. Dennoch musste der Körper ihrer Schätzung nach etwa siebzig Kilo wiegen.
    »Dass er das Gewicht ausgehalten hat«, sagte sie halblaut.
    »Wer, der Haken?«
    »Mhm.«
    Nilsson reckte sich und betrachtete den Haken.
    »Das ist solides Mauerwerk, nicht so ein Fertighaus-Pfusch wie viele Neubauten aus den Siebzigern.«
    »Du meinst, wenn er in so einem gewohnt hätte, wäre der Haken herausgebrochen und er hätte überlebt?«, fragte Margit.
    Sie ging zum Bücherregal und griff nach einem gerahmten Foto, das in Augenhöhe stand. Es zeigte Marcus zusammen mit einem Jungen im Teenageralter und einem Paar in mittleren Jahren, vermutlich seine Eltern und ein jüngerer Bruder. Ein weißer Datumsstempel am unteren Rand zeigte, dass das Foto am 10. Juli 2006 aufgenommen worden war, also im vergangenen Sommer.
    Es sah aus wie ein Urlaubsfoto; sie saßen in einer Taverne, und der Hintergrund bestand aus weißen Häusern mit leuchtend blauen Türen. Wahrscheinlich irgendwo in der griechischen Inselwelt, dachte Margit, auf einer entspannten Reise mit der ganzen Familie. Die nicht ahnt, was sie erwartet.
    Der Verstorbene sah seiner Mutter auffallend ähnlich, die gleichen schmalen Augen, die gleiche gerade Nase. Ihr Haar war hellbraun, aber das war das ihres Sohnes vielleicht auch gewesen, bevor er es gefärbt hatte. Marcus hatte ein offenes Gesicht und sah intelligent aus, überhaupt nicht bedrückt von irgendwelchen Sorgen, die vierzehn Monate später dazu führen sollten, dass er sich das Leben nahm.
    Sein Bruder kam nach dem Vater, beide waren blond und ein wenig pummelig. Der Vater hatte den Arm um die Schultern des jüngeren Sohnes gelegt und lachte breit in die Kamera. Das Foto war vermutlich von einem Kellner geknipst worden.
    »Er sah nett aus«, bemerkte Margit.
    »Das tun die meisten, zumindest bevor sie tot sind.«
    Die Antwort war nicht sarkastisch, sondern nur eine nüchterne Feststellung.
    Polizistenhumor, dachte Margit. Auch eine Art, die Tragödie auf Abstand zu halten.
    Zögernd stellte sie das Foto wieder aufs Regal. Sie wusste, dass der Vater im öffentlichen Dienst arbeitete und die Mutter Krankenschwester war. Der jüngere Bruder wohnte noch zu Hause und besuchte das Gymnasium im dritten Jahr.
    Genau wie ihre Anna.
    Das hier war vielleicht das letzte Foto mit der ganzen Familie. Weitere würde es nicht geben. Die Eltern mussten schnellstmöglich informiert werden, und das war keine angenehme Aufgabe.
    Nilsson holte etwas aus seiner großen schwarzen Tasche und verschwand im Bad.
    »Gibt es Anzeichen für etwas anderes als Selbstmord?«, rief Margit ihm nach.
    Er schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen.
    »Vorläufig nicht. Aber wir stellen natürlich Fingerabdrücke und andere biologische Spuren sicher, sofern es sie gibt.«
    »Wo ist das Mädchen, das ihn gefunden hat?«
    »Sie sitzt mit Torunn in der Küche. Als wir ankamen, war sie völlig geschockt.«
    »Kein Wunder bei diesen Umständen.«
    Margit warf einen letzten Blick auf die Bücher, die im Regal standen. Viele hatten englische Titel, die auf psychologische Themengebiete schließen ließen. Auch die Bücher auf dem Schreibtisch sahen aus wie Fachliteratur.
    »Er hat an der Uni Stockholm Psychologie studiert«, sagte Margit. »Ich frage mich, ob er wohl psychische Probleme hatte.«
    Nilsson erschien in der Badezimmertür.
    »Du meinst solche, die dazu führen, dass man sich umbringt?«

Kapitel 4
    Nora Linde betrachtete müde das Chaos im Zimmer ihres Sohnes. Seit ihrer Trennung von Henrik verkroch Adam sich immer mehr hinter seinem Computer. Während sich die Klamottenhaufen auf dem Fußboden türmten, hockte er wie festgeklebt am Bildschirm und chattete oder spielte Computerspiele. Es war, als ob er die virtuelle Welt der realen vorzog. Er antwortete nicht, wenn man ihn ansprach, und hielt es kaum am Mittagstisch aus, um nur ja keine kostbare Computerzeit zu verlieren.
    Nora versuchte, Grenzen zu setzen, aber das war nicht einfach, da Henrik und sie unterschiedliche Auffassungen zu dem Thema hatten. Was nützte es, dass sie auf einer begrenzten Anzahl Stunden pro Tag bestand, wenn Henrik die Jungs endlos spielen ließ, sobald sie bei ihm waren. Schon als sie noch zusammenlebten, hatten sie sich nur schwer einigen können, aber das war nichts gewesen verglichen mit der jetzigen
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