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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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versuchte, sich zusammenzureißen und ein Gesicht zu machen, als sei er ganz bei der Sache. Tatsächlich hatte er keine Ahnung, worüber sie gerade gesprochen hatten.
    Wie so oft in der letzten Zeit fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Es war, als wollte sein Gehirn nicht gehorchen. Manchmal ging ihm etwas durch den Kopf, und dann plötzlich dachte er an etwas ganz anderes.
    »Natürlich«, sagte er.
    »Gut, dann war es das für heute«, sagte der Alte.
    »Moment noch«, sagte Thomas.
    »Ja?«
    Der Alte sah ihn an.
    »Marcus Nielsen.«
    Thomas’ Tonfall war forscher als beabsichtigt.
    »Was ist mit ihm?«
    »Sollten wir uns seine Todesumstände nicht etwas genauer ansehen?«
    Der Alte sah ihn fragend an.
    »Er hat sich erhängt«, sagte er.
    »Seine Mutter war vorhin bei mir. Sie glaubt nicht daran.«
    »Ich habe am Sonntag seine Familie besucht«, sagte Margit. »Keiner von ihnen wollte akzeptieren, dass er Selbstmord begangen hat. Angehörige tun das selten.«
    »Ich würde jedenfalls gern noch ein paar Stunden an dem Fall arbeiten«, sagte Thomas.
    In Margits Augen sah er etwas aufblitzen, das schwer zu bestimmen war. Mitgefühl, vielleicht. Oder Sorge, dass ihm das alles zu viel wurde?
    Er war am Sonntag erst spät am Tatort erschienen, und das passierte ihm nicht zum ersten Mal. Er schlief immer noch schlecht, und manchmal nahm er Schlaftabletten, obwohl er dann am nächsten Tag müde war. Es kam sogar vor, dass er den Wecker nicht hörte und so sehr verschlief, dass er die Morgenbesprechung verpasste.
    Aber die Alternative war, dass er kurz nach Mitternacht aufwachte und nicht wieder einschlafen konnte, weil ihm die Gedanken wieder und wieder durch den Kopf gingen, wie ein Film, der kein Ende nehmen wollte. Dann sorgte der Schlafmangel dafür, dass er den ganzen nächsten Tag benommen war.
    »Ich dachte, ich suche die Familie auf und spreche noch einmal mit ihnen.«
    Er klang unsicher, er hörte es selbst und straffte die Schultern. Mit festerer Stimme sagte er:
    »Ich finde, das sind wir dem Jungen schuldig. Er war erst zweiundzwanzig.«
    »Meinetwegen«, sagte der Alte. »Aber verschwende nicht zu viel Zeit damit. Wir brauchen dich dringend für andere Sachen, Thomas, jetzt wo du wieder da bist.«
    Der Alte packte seine Zettel zusammen und erhob sich. Die Sitzung war beendet.
    Familie Nielsen wohnte in einem weißen Backsteinhaus in einem nördlichen Vorort von Stockholm. Die Siedlung war geprägt von lauter gleichartigen Einfamilienhäusern, die dicht an dicht auf ziemlich kleinen Grundstücken standen. Mehrere der Häuser waren umgestaltet oder durch Anbauten erweitert worden, aber man konnte noch sehen, dass sie ursprünglich alle nach dem gleichen Entwurf gebaut worden waren.
    Die Haustür wurde von einem halbwüchsigen Jungen geöffnet, der blass und mitgenommen aussah. Das muss David sein, dachte Thomas. Marcus’ kleiner Bruder.
    Er stellte sich vor und durfte eintreten.
    »Mama«, rief der Junge. »Polizei ist hier.«
    Auf der Treppe waren Schritte zu hören, dann kam Maria Nielsen in die Diele. Sie sah aus, als hätte sie gerade geweint, ihre Augen waren gerötet. Ihr Haar hatte sie mit einem Gummiband zusammengefasst, aber ein paar Strähnen hatten sich gelöst und fielen ihr ins Gesicht.
    »Sie?«, sagte sie verwundert.
    Thomas streckte die Hand zum Gruß aus.
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte er. »Ich habe noch ein paar Fragen. Wenn es Ihnen recht ist, natürlich.«
    »Sicher.« Sie strich mit nervöser Geste die Haarsträhnen zurück. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Thomas war auf die Frage vorbereitet. Die meisten Leute, die Besuch von der Polizei bekamen, reagierten fast reflexartig damit, Kaffee anzubieten, und manchmal konnte das geradezu therapeutisch wirken.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Vielen Dank, aber das ist nicht nötig. Ich möchte nur etwas mehr über Marcus erfahren.«
    Er folgte Mutter und Sohn ins Wohnzimmer, wo sie sich setzten. Der Raum wurde von einem großen Flachbildfernseher dominiert. Eine Xbox auf einem schwarzen Ständer verriet das Interesse der Brüder für Videospiele.
    Nun war nur noch ein Bruder übrig.
    »Wie lange ist es her, dass Marcus ausgezogen ist?«, begann Thomas.
    »Das war letztes Jahr, als er sein Studium aufgenommen hat«, sagte Maria Nielsen. »Aber er hat uns ganz oft besucht, am Samstag war er noch hier, zum Beispiel.«
    Sie blickte auf ihre Hände.
    »Er hat mir immer seine Schmutzwäsche gebracht.« Ein trauriges Lächeln huschte über
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