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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte
Autoren: Viveca Sten
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ihr Gesicht. »Obwohl ich fand, dass er so etwas selbst machen müsste, habe ich ihm immer wieder dabei geholfen.«
    Maria Nielsen hob trotzig das Kinn.
    »Da war Marcus genau wie immer. Deshalb ist es ja so unbegreiflich, dass er …« Sie blickte zum Fenster und flüsterte: »… sich am selben Abend erhängt hat.«
    David gab einen erstickten Laut von sich, als seine Mutter die verbotenen Worte aussprach.
    Thomas versuchte, behutsam vorzugehen.
    »Wissen Sie noch, was er gemacht hat, als er zuletzt hier war? Hat er irgendetwas Außergewöhnliches gesagt, was Ihnen aufgefallen ist?«
    Sie zog die Schultern hoch. Eine Geste der Resignation, die das Chaos in ihrem Inneren erkennen ließ.
    »Er war genau wie immer. Marcus hat in der Küche etwas gegessen, dann ist er nach oben in sein Zimmer gegangen.«
    Thomas blickte David an.
    »Warst du zu der Zeit zu Hause?«
    »Ja, war ich.«
    »Ist dir etwas an deinem Bruder aufgefallen?«
    Davids Lippen zitterten, als er antwortete.
    »Marcus war wie immer. Genau wie meine Mutter gesagt hat.«
    »Habt ihr am Samstag etwas Besonderes unternommen?«
    »Nein, die meiste Zeit lag er in seinem Zimmer auf dem Bett und hat gesurft.«
    Thomas erinnerte sich, dass Marcus’ Laptop noch nicht gefunden worden war. Sein Handy auch nicht. Das war seltsam.
    »Womit?«
    »Seinem Laptop natürlich.«
    »In seinem Studentenzimmer haben wir ihn nicht gefunden. Bist du sicher, dass er ihn am Samstag bei sich hatte?«
    David machte ein erstauntes Gesicht.
    »Marcus hat seinen Laptop überallhin mitgeschleppt. Er war immer in seinem Rucksack. Ohne den ist er nirgendwohin gegangen.«
    »Könnte es sein, dass er ihn hier vergessen hat?«, überlegte Thomas laut. »Dass er vielleicht noch in seinem Zimmer ist?«
    Er drehte den Kopf in Richtung der Mutter.
    »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Maria Nielsen. »Aber wir können gleich noch mal nachsehen, wenn Sie wollen.«
    Sie erhob sich und ging die Treppe hinauf ins Obergeschoss. Thomas folgte ihr. Sie kamen in einen kleinen Flur; Maria Nielsen öffnete die nächstgelegene Tür und trat einen Schritt beiseite, um Thomas den Vortritt zu lassen.
    Marcus’ altes Kinderzimmer war nicht groß, kaum mehr als acht Quadratmeter, und enthielt ein Bett, einen Schreibtisch und einen abgewetzten schwarzen Ledersessel. Die Wände waren bedeckt mit verschiedenen Postern, und an einer Wand hing eine alte Pfadfinderflagge.
    Thomas ging hin und berührte den verblichenen Stoff.
    »Marcus war als Teenager bei den Wasserscouts, er liebte das Meer«, sagte Maria Nielsen. »Er war aktives Mitglied in einem Kanuverein, sie sind oft durch den Stockholmer Schärengarten gepaddelt.«
    Thomas drehte sich um.
    »Das mache ich auch gern. Ich habe ein Haus auf Harö, nicht weit von Sandhamn, und paddle oft in der Gegend.«
    Um Maria Nielsens Mund zuckte es.
    »Genau wie Marcus.«
    »Wie hat ihm sein Studium gefallen?«, fragte Thomas.
    Sie ließ sich auf dem Bett nieder und strich mit der Hand über das weiche Lammfell, das am Fußende lag.
    »Marcus hat sich so gefreut, als er angenommen wurde. Er hat die Aufnahmeprüfung mit sehr guten Noten bestanden. Es ist nicht so einfach, einen Platz zu bekommen, viele wollen Psychologie studieren.«
    »Warum hat er sich gerade für dieses Fach beworben?«
    »Er hat sich schon auf dem Gymnasium dafür interessiert. Einer der Lehrer dort hat seine Lust darauf geweckt. Ist es nicht merkwürdig, dass ein einziger Mensch für die Entscheidungen, die man trifft, so bedeutsam sein kann?«
    Ihre Stimme klang wehmütig.
    Thomas blickte sich ein letztes Mal im Zimmer um. Er konnte keinen Laptop entdecken, auch nichts anderes, was ihm aufgefallen wäre. Marcus Nielsen war bis zu seinem Tod ein ganz normaler junger Student gewesen.
    Die wohlbekannte Telefonnummer glühte auf dem Display.
    Wenn sie das Gespräch nicht annahm, würde sich die Mailbox einschalten. Der Anruf von Henrik würde aufgezeichnet werden, und sie konnte selbst entscheiden, wann sie die Nachricht abhörte.
    Oder auch nicht.
    Aber wenn es nun wichtig war?
    Widerwillig drückte Nora die Anruftaste.
    »Ich bin’s.«
    Als sie die lässig hingeworfenen Worte hörte, kochte die Wut in ihr hoch.
    Wieso bildete er sich ein, sie würde ihn an der Stimme erkennen? Das war so typisch für ihn, er setzte ganz selbstverständlich voraus, dass sie seine Formlosigkeit hinnahm. Sie waren immerhin getrennt, und bald würde die Scheidung endgültig durch sein.
    Nach dreizehn Jahren
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