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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen
Autoren: Christian Ditfurth
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Zoo angekommen war, wusste Stachelmann, was er zu tun hatte.
    ***
    »Es ist alles verjährt. Selbst wenn es nicht so wäre, weswegen sollte dich jemand anklagen? Du hast keinen umgebracht, du hast nicht gestohlen. Warum also?«
    »Und jetzt sag noch, wir hätten es für den Frieden getan.«
    Sie saßen auf dem Sofa zwischen unausgepackten Umzugskisten. Ines rauchte, Griesbach trank einen Whiskey.
    »Wir haben es für den Frieden getan.«
    »Wir haben es für einen Staat getan, der seine Bürger einsperrte und Menschen ins Gefängnis steckte, weil sie anderer Meinung waren oder mit den falschen Leuten sprachen. Du hast dir ein Bild von der DDR gemalt, und das hast du angebetet. Leider hatte das Bild nichts zu tun mit der Wirklichkeit. Ein marodes Land, regiert von machtgeilen Greisen, die qua Amt unfehlbar waren. Den Frieden haben beide Seiten bedroht, und wir haben der einen Seite geholfen.«
    »Reg dich ab, Wolf. Hast wieder schlecht geschlafen.
    Uns wird nichts passieren. Die Akten sind futsch. Sonst hätten sie uns längst in die Mangel genommen. Und jetzt sind wir endlich weg aus Berlin, wir können hier in Hamburg neu anfangen.«
    »Und zu dem Neuanfang gehört Heinz, oder warum telefonierst du dauernd mit ihm?«
    »Ein alter Genosse, den lässt man nicht hängen.«
    »Ich kann nicht mehr. Morgen ist der Empfang bei Bohming. Ich lüge die Leute doch an, wenn ich ihnen die Hand reiche. Wenn es die DDR noch gäbe, dann würde ich sie bespitzeln und helfen, Kundschafter zu rekrutieren.« Er zog das Wort »Kundschafter« verächtlich in die Länge.
    »O je, du warst doch nur ein kleines Licht. Fast alle unsere Pläne mit dir sind gescheitert. Wenn die DDR nicht verraten worden wäre, dann säßest du längst in einem dieser Institute, die die Politiker beraten.«
    »Darauf kommt es nicht an. Es geht darum, ob man mitgemacht hat und weiter mitgemacht hätte. Ich halte die Lügerei nicht mehr aus.«
    »Du ruinierst deine wissenschaftliche Karriere, die du den Genossen verdankst, und du zerstörst unser Leben. Wenn du auspackst, werden sie gleich nach mir fragen. Und nach Heinz.«
    »Hast du nicht gesagt, es sei alles verjährt? Und Heinz kann ohnehin niemand an den Karren fahren, der ist DDR-Bürger gewesen. Es geht um Ehrlichkeit den Leuten gegenüber, mit denen ich zu tun hatte und habe. Ich werde die Kollegen an der FU und die Fluchthelfer um Entschuldigung bitten. Und nicht nur sie.«
    »Aber wie stehe ich da, zuerst als Frau eines IM und dann als Spionin? Ich krieg doch nie wieder einen Job. Ist doch so schon schwer genug. Ich hatte gute Gründe, das zu tun, was ich getan habe. Aber die versteht heute keiner mehr.«
    »Verstehst du sie selbst noch? Ich verstehe mich jedenfalls nicht mehr. Verrückt muss ich gewesen sein, als ich mich darauf einließ. Ich hätte mich einsperren lassen sollen.«
    Sie stand auf und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Zigarettenasche fiel auf den Teppich. Sie ging in die Küche und kehrte mit einer Wodkaflasche zurück. Sie schenkte zwei Wassergläser halb voll. Das eine stellte sie vor Griesbach auf den Tisch, das andere behielt sie in der Hand. Sie tranken.
    »Du hast mich mit reingeritten, jetzt musst du zu deiner Verantwortung stehen«, sagte er. »Ihr habt Helga benutzt, mich zu erpressen. Das allein reicht schon.«
    »Das hast du damals aber anders gesehen, mein Lieber. Helga, von der war doch bald nicht mehr die Rede. Heinz und ich haben dir erzählt, wie gut es Helga gehe. Du hast nicht mal nachgefragt. Und dann wolltest du ganz schnell bei mir landen. So war das doch.«
    Griesbach trank einen kleinen Schluck und überlegte, wie es gewesen war. Sie hatte Recht. Jedenfalls mussten Heinz und Ines sich nicht viel Mühe geben, ihn zum IM zu machen. Er forschte in sich nach den Gründen, wie er es schon so oft getan hatte. Da war die Dankbarkeit, im Westen arbeiten zu dürfen. Dazu gesellte sich die Lust auf Abenteuer oder besser darauf, etwas Besonderes zu sein. Es hatte ihn erhoben über die anderen, dass er eine zweite, geheime Existenz besaß. Dass er einen Auftrag ausführte, hinter dem das mächtige sozialistische Lager stand.
    »Warum sagst du nichts?«
    Er dachte weiter nach. Von Westberlin aus hatte er die DDR zunächst wie durch einen Weichzeichner gesehen. Ihm gefiel die Idee, seine Verhaftung und die anschließende Anwerbung durch das Ministerium für Staatssicherheit seien einem Plan gefolgt, der eigens dazu ersonnen war, ihn zur Mitarbeit zu bewegen. Auch wenn es
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