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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen
Autoren: Christian Ditfurth
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aufgewickeltes Seil in der Hand. Er zeigte mit der Pistole auf Stachelmann, dann auf den Hocker und in den Wald hinein. »Abmarsch!«, sagte Heinz. Stachelmann nahm den Hocker und ging vorneweg. Sie liefen tief in den Wald hinein, manchmal auf einem schmalen Weg, manchmal durchs Unterholz. Ein Rehbock stand starr auf einer kleinen Lichtung und beobachtete sie. Heinz befahl Stachelmann, zur Lichtung zu gehen. Der Rehbock zuckte, dann floh er. Am Rand der Lichtung stand ein mächtiger Baum, ein starker Ast ragte in die Lichtung. »Ein schöner Platz zum Sterben«, sagte Heinz. Er stellte den Hocker unter den Ast und warf geschickt das Seil über ihn. Er knotete eine Schlinge und zog am Seil, damit sie sich um den Ast schloss. Er knüpfte eine zweite Schlinge mit mehreren Knoten und sagte:
    »Herkommen.«
    Stachelmann lähmte die Angst. »Warum bringen Sie mich um?«
    »Das ist die dümmste Frage des Tages. Es ist wie in einem Western, du weißt zu viel.«
    Stachelmann sah die auf ihn gerichtete Pistole, dann blickte er auf die baumelnde Schlinge. Darunter stand der Hocker.
    »Ist das der aus meiner Küche?«
    »Natürlich«, sagte Heinz. »Die Sache muss doch stilecht ablaufen. Dr. Josef Maria Stachelmann hat genug vom Leben, nimmt sich einen Hocker und ein Seil, geht in den Wald und tritt ab. Einen Abschiedsbrief wird man nicht finden. Für diese Pirouette haben wir keine Zeit. Obwohl ich ein Freund des Eiskunstlaufs bin. Kennst du Kati Witt?« Er erwartete keine Antwort. »Ist sie nicht wunderbar? Nun komm her.« Er wurde ungeduldig.
    »Ich kenne Kati Witt. Aber ist die nicht übergelaufen zum Klassenfeind?«
    »Davon verstehst du nichts. Auf den Hocker, los, los!«
    Stachelmann stellte sich auf den Hocker.
    Heinz legte ihm die Schlinge um den Hals. »Zu lang«, sagte er. »Das Seil ist zu lang. Geh zum Baum.« Heinz verkürzte das Seil, indem er die untere Schlinge neu knotete.
    »Jetzt wird es gehen. Auf den Hocker!«
    »Noch eine Frage.«
    »Die letzte«, sagte Heinz.
    »Wer hat Ihnen den Schlüssel für meine Wohnung gegeben, damit Sie diesen Hokuspokus veranstalten konnten?«
    »Ines natürlich, dass du da nicht von selbst drauf kommst! Sie hatte Zeit genug, einen ordentlichen Abdruck zu machen, während du gepennt hast. Und der Schlosswechsel hat mich nur kurz geärgert. Da hättest du ein bisschen mehr investieren sollen. Schluss jetzt.«
    Stachelmann stieg auf den Hocker. Heinz legte das Seil um Stachelmanns Hals.
    »Hände hoch! Waffe weg!« Ein Megafon brüllte. Heinz fuhr zusammen, Stachelmann zog die Schlinge über den Kopf und sprang vom Hocker. Er rannte weg. Er hörte einen Schuss. Er rannte weiter. Er sah Polizisten am Rand der Lichtung. Einige trugen Helme und hatten Gewehre im Anschlag. »Waffe weg oder wir schießen!«
    Stachelmann erkannte Ossi neben dem Mann mit dem Megafon. Er rannte auf Ossi zu, dann drehte er sich um. Heinz stand wie erstarrt mit erhobenen Händen, in der Rechten hielt er seine Pistole. »Waffe weg!«, brüllte das Megafon. Heinz öffnete die Hand, die Pistole fiel auf den Boden. »Kommen Sie her, mit erhobenen Händen und langsam.« Heinz näherte sich den Polizisten. Zwei Beamte eilten auf ihn zu, warfen ihn auf den Boden und fesselten seine Hände auf dem Rücken. Heinz schrie vor Schmerz. Dann zerrten sie ihn hoch und durchsuchten ihn.
    Sie führten ihn ab. Als Heinz an Stachelmann vorbeigeführt wurde, grinste er ihn an. In seinen Augen las Stachelmann Triumph. Da sagte Stachelmann: »Halt!« Die Polizisten hielten. Stachelmann knöpfte den Mantel auf, dann das Hemd. Auf seiner Brust war ein Kabel verklebt. Heinz sah es, schüttelte den Kopf, als wollte er es nicht sehen, dann wurde er kreideweiß. »Abführen!«, sagte Stachelmann. Ossi beobachtete die Szene und lachte.
    »Ihr habt mich lange zappeln lassen«, sagte Stachelmann zu Ossi.
    »Ist doch gut gegangen. Ich gebe zu, dein Plan war nicht schlecht. Aber hätte es nicht geklappt, säßen wir jetzt böse in der Scheiße. Du im Knast und ich ohne Pension.«
    »Habt ihr Ines verhaftet?«
    »Die sitzt bereits. Schade, eine schöne Frau. Jetzt kann sie Miss Knast werden.«
    »Hast du die Lübecker Polizei informiert?«
    »Noch nicht.«
    »Dann mach es, ich will jetzt nämlich nach Hause gefahren werden und keine Überraschung mehr erleben. Davon hatte ich in den letzten Wochen genug.«
    Ein Streifenwagen der Hamburger Polizei brachte Stachelmann nach Hause. Tatsächlich fehlte der Hocker in der Küche. Er ging zum
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