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Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker

Titel: Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Autoren: Jocelynn Drake
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    Sein Name war Danaus.
    Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich seine kobaltblauen Augen zum ersten Mal im Schein einer Straßenlaterne aufblitzen sah. Sie funkelten wie Saphire, muteten aber wie finstere Abgründe an, in die ich eintauchte, während die Zeit stillzustehen schien. Doch nicht in den Wassern des Styx badete ich in diesem Moment der Selbstvergessenheit, sondern in einer kühlen Bucht der Lethe.
    Er blieb außerhalb des Lichtkegels einer schmiedeeisernen Lampe auf der verlassenen Straße stehen, sondierte mit aufmerksamem Blick das Gelände und atmete tief ein. Er spürte wohl, dass ich ihn von einem der Dächer aus beobachtete, konnte aber meine genaue Position nicht ausmachen. Ich sah, wie er seine rechte Hand kurz zur Faust ballte, dann trat er zu meiner Überraschung ins Licht, um mich zu provozieren.
    Ich fuhr mit der Zungenspitze über meine Zähne. Er bot einen beeindruckenden Anblick, doch es war sein Selbstvertrauen, das meine Neugier weckte. Ich war fast versucht, aus dem Schatten des Schornsteins ins Mondlicht zu treten, aber ich hatte nicht mehr als sechshundert Jahre überlebt, indem ich mich leichtsinnig auf Fehler einließ. Auf der Firststange eines dreistöckigen Hauses balancierend, beobachtete ich, wie er die Straße hinunterging. Sein langer schwarzer Ledermantel blähte sich und tanzte ihm um die Waden wie ein Wolf an der Kette, der gezwungen ist, seinem Herrn zu folgen.
    Ich hatte ihn bereits seit über einem Monat beobachtet.
    Er war wie ein kalter Wind in mein Revier hereingefegt und hatte sich sofort darangemacht, meinesgleichen zu vernichten. In den vergangenen Wochen hatte er beinahe ein halbes Dutzend meiner Brüder getötet. Sie waren zwar fast alle noch grün hinter den Ohren gewesen, weniger als ein Jahrhundert alt, dennoch hatte so etwas vor ihm noch keiner gewagt.
    Und diese Morde waren keine feigen Pfählungen bei Tag gewesen. Er hatte jeden einzelnen Nachtwandler bei Mondschein gejagt. Ein paar Schlachten hatte ich sogar heimlich beobachtet und beinahe applaudiert, als er sich blutverschmiert über sein Opfer gebeugt und ihm das Herz herausgeschnitten hatte. Er war schnell und clever.
    Und die Nachtwandler waren viel zu selbstsicher gewesen. Ich war die Hüterin dieses Gebiets und mit der Aufgabe betraut, unser Geheimnis zu wahren - und nicht damit, diejenigen zu schützen, die nicht auf sich selbst aufpassen konnten.
    Nachdem ich meine Beute in spe nun mehrere Wochen beobachtet hatte, fand ich, es war an der Zeit, dass wir uns offiziell miteinander bekannt machten. Ich wusste, wer er war. Mehr als nur ein weiterer Nosferatu-Jäger.
    Viel mehr, denn er sprühte förmlich vor Macht. Ich wollte eine kleine Kostprobe von dieser Macht, bevor er starb.
    Und er wusste von mir. In den letzten Sekunden ihres Lebens hatten manche Schwächlinge meinen Namen gejault, in der Hoffnung, im letzten Moment doch noch verschont zu werden, doch es hatte ihnen nichts gebracht.
    Ich huschte lautlos die Dächer entlang und übersprang katzengleich die Lücken zwischen den Häusern. Nachdem ich ihn überholt hatte, flitzte ich noch zwei Blocks weiter, bis ich den Rand der Altstadt erreichte.
    Dort blieb ich vor einem alten, verlassenen Backsteinhaus stehen, das mir als Treffpunkt geeignet erschien. Mit seinem Aussichtsturm und den dunklen, auf den Fluss schauenden Fenstern wirkte es wie ein stummer Wachsoldat.
    Die Luft war warm und diesig, obwohl es seit über zwei Wochen nicht geregnet hatte. Die Rasenflächen, denen die trockenen Sommer erheblich zusetzten, waren bereits wieder braun verfärbt. Selbst die Grillen litten unter der erdrückenden Hitze; sie schienen nur mit halber Kraft zu zirpen. Die leichte Brise, die vom Meer herüberwehte, nährte die Luft mit noch mehr Feuchtigkeit, sodass sie immer dicker und schwerer wurde. Auf der Suche nach Anonymität und um dem Leben zu entfliehen, das mich fast fünfhundert Jahre lang in den Klauen hatte, war ich vor gut hundert Jahren nach Savannah gekommen. Ich liebte diese schöne, geschichtsträchtige Stadt und die Geister, die in jeder dunklen Ecke und in jedem alten Haus zu spuken schienen. Auf die drückende Sommerhitze hätte ich jedoch gut verzichten können. Ich hatte zu viele Jahre in kühleren Gefilden verbracht.
    Das leer stehende Haus war halb hinter zwei riesigen, von Louisianamoos überwucherten Eichen verborgen, die wie in Spitzengewänder gehüllte Anstandsdamen aussahen. Zur Straße hin war das Grundstück von einem
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