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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen
Autoren: Christian Ditfurth
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Nichts würde klappen, es herrschte schon jetzt Unordnung. Wie sollte er mit einem Kollegen klarkommen, mit dessen Frau er so bald wie möglich wieder schlafen wollte?
    »Aber deswegen habe ich dich nicht zu mir gebeten. Du kennst Walter Hartmann?«
    Stachelmann nickte. Die Frage überraschte ihn. »Er sitzt in meinem Hauptseminar.« Stachelmann sagte nicht, dass er sich gerade überworfen hatte mit ihm.
    »Das ist ein Neffe von Oswald Meyerbeck. Du weißt, wer Meyerbeck ist?«
    Stachelmann nickte. Dr. Oswald Meyerbeck war der Hauptaktionär der Meyerbeck Werft, wohl der einzigen Großwerft, die noch Gewinne abwarf, jedenfalls in Hamburg, trotz der subventionierten Konkurrenz aus Südkorea.
    Bohming grinste, das hatte Stachelmann noch nie gesehen. »Und dieser Meyerbeck ist auf die Idee gekommen, die Geschichte seiner Reederei aufschreiben zu lassen. Von uns! Wenn das klappt, dann sind wir wohl der erste historische Lehrstuhl in Deutschland, der Drittmittel erwirtschaftet.« Bohming schaute in die Ferne. Wahrscheinlich arbeitete er in Gedanken schon an einem Artikel, in dem er der Fachwelt diesen Coup vorstellen wollte.
    »Aber es gibt doch einige Kollegen, die Firmengeschichten veröffentlicht haben.«
    »Gewiss, aber Meyerbeck will diesen Auftrag nicht mir geben oder einem anderen Kollegen hier, sondern meinem Lehrstuhl. Er glaubt, und da hat er Recht, dass dies die Studie unanfechtbar machen wird.«
    »Dann hofft er also auf freundliche Worte.«
    »Das hoffen solche Leute immer. Aber er hat mir geschrieben, wir sollten unabhängig arbeiten und das publizieren, was wir herausfinden, ohne Rücksicht zu nehmen auf ihn und seine Familie.«
    »Das ist nicht ohne Risiko. Warum macht er das?«
    »Weil er sonst auf lange Sicht schlechter dastehen könnte. Die bauen Schiffe für amerikanische Reedereien, auch wenn die dann offiziell unter Billigflagge fahren. Seit dieser Zwangsarbeitergeschichte sind Firmen, die in die USA exportieren, erpicht darauf, eine halbwegs weiße Weste zu haben oder wenigstens Bußfertigkeit zu zeigen. Meyerbeck hat in den Zwangsarbeiterentschädigungsfonds eingezahlt, das war Pluspunkt Nummer eins. Dass die Werft damals U-Boote gebaut hat, juckt heute keinen mehr.«
    »Weil er also Pluspunkt Nummer zwei braucht, beauftragt er uns, die Werftgeschichte aufzuarbeiten. Kommen viele braune Flecken ans Licht, gilt Meyerbeck als Unternehmen, das seine Geschichte selbstkritisch aufarbeitet. Gibt’s wenig braune Flecken, umso besser.«
    »So kann man es auch sagen.« Bohming grinste wieder.
    »Es wird eine leichte Übung. Vor allem für einen wie dich.«
    »Wie mich?«
    »Ja, Meyerbeck hat dich vorgeschlagen. Er folgt dem Rat seines Neffen, dieses Hartmann.«
    »Nein, bitte nicht.« Es platzte ihm heraus. Er dachte an Hartmann, der sich gewiss längst ausgeweint hatte bei seinem Onkel. Vielleicht überlegte der sich nun sogar, das Projekt aufzugeben. Er schien jedenfalls viel zu halten von Empfehlungen seines Neffen.
    Bohming schaute ihn neugierig an. »Was ist denn los?«
    »Meine Habil, ich muss die Arbeit fertig machen.«
    »Josef, du verstehst nicht, wie wichtig das für uns ist. Überall kürzen sie die Mittel, demnächst werden wir für jeden Bleistift auf den Knien zum Senat kriechen müssen. Meyerbeck wird uns eine Menge zahlen dafür, mit dem Geld könnten wir einen neuen Projektor kaufen, die Bibliothek aufstocken, vielleicht reicht es noch für ein oder zwei Hiwis fürs neue Semester. Und wenn wir das Projekt gut hinkriegen, dann kommen vielleicht weitere Firmen, die ihr Image aufbessern wollen. Deine Habil, Josef, ist doch so gut wie fertig. Du darfst uns nicht im Stich lassen. Ich wüsste nicht, wer es sonst machen sollte.«
    »Die beiden Männer«, sagte Stachelmann.
    »Ostermann und Lehmann sind prima Kollegen. Aber noch ist das eine Nummer zu groß für sie. Meyerbeck, das ist ein Pilotprojekt.«
    »Griesbach«, sagte Stachelmann.
    »Das wäre unanständig. Der ist noch nicht mal richtig einge zogen, und schon schicken wir ihn auf eine Expedition. Der wird beim nächsten Projekt drankommen.«
    »Derling.«
    Bohming schaute ihn fragend an. »Die ist schwanger. In zwei, drei Wochen liegt sie im Kreißsaal oder wo immer die Frauen heutzutage Kinder kriegen. Da kann sie schlecht Quellen suchen gehen.«
    »Aber das Projekt muss nicht sofort beginnen.«
    »Doch, wir dürfen uns diese Chance nicht durch die Lappen gehen lassen. Oder glaubst du, Meyerbeck ist auf uns angewiesen? Die lieben
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