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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen
Autoren: Christian Ditfurth
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Stachelmann. Er kämpfte gegen den Dunst in seinem Schädel.
    »Der liebe Wolf ist in Berlin, letzte Erledigungen. Was auch immer das sein mag. Und jetzt wollen Sie bestimmt noch wissen, worüber wir uns gestritten haben.« Sie trank einen kräftigen Schluck.
    »Nein«, sagte Stachelmann.
    »Ich wollte nicht mit nach Hamburg«, sagte Ines. »Und wissen Sie, warum?«
    »Nein«, sagte Stachelmann. Er hielt sein Ohr an ihren Mund.
    »Weil ich hier keine Chance habe, eine Stelle zu bekommen. Mein lieber Mann pflegt gerne zu übersehen, dass ich denselben Beruf ausübe wie er.« Sie bestellte ein weiteres Glas.
    Stachelmann stand auf. »Nun lassen Sie mich nicht auch noch allein.« Er musste lachen. »Keine Sorge, ich bin eine treue Seele.« Sie grinste. Sie saß vor ihm und war aufregend. Er hätte sie umarmen können, sie hätte sich nicht gewehrt, er spürte es, sie saß da wie eine Einladung. Er ging auf die Toilette. Dort trank er Wasser und überlegte, was Ines ins Tokaja geführt hatte. Er war angespannt, er fühlte sich mutig.
    Als er zurückkam, legte sie ihm die Hand auf den Unterarm und sagte: »Wir wohnen hier um die Ecke. Ich wollte mir diese Kneipe ohnehin mal angucken. Besser ich trage meinen Ärger hierhin, als zu Hause darin zu brutzeln.«
    Stachelmann lachte.
    »Warum lachen Sie?«
    »Ich stelle mir gerade vor, wie Sie zu Hause brutzeln.«
    Sie lachte. »Blödes Wort, nicht?«
    »Schönes Bild«, sagte Stachelmann.
    »So, so!«, sagte Ines. Licht durchschimmerte ihre Bluse. Der Anblick erregte Stachelmann. Sie schien es nicht zu merken. Ihre Hand spielte mit ihrem Haar. »Wollen wir nicht zu mir gehen, da lässt es sich leichter reden.«
    Stachelmann spürte die Spannung im Unterleib, als er sich ja sagen hörte. Sie bezahlten jeder für sich, dann hakte sie sich ein bei ihm. Der kalte Wind traf ihn hart vor der Tür, ihm schwindelte. Sie zog ihn sanft die Straße entlang. Matschiges Laub zwang sie, vorsichtig zu gehen, Stachelmann hatte Gummiknie. Er ahnte, was kommen würde, wusste, es war verrückt und eine Quelle künftigen Ärgers.
    Aber er wollte es. Der Alkohol und die Erregung ließen ihn die Schüchternheit überwinden, das machte ihn zufrieden. Er bemerkte alles, was mit ihm geschah. Dann fiel ihm Anne ein. Er hätte mehr trinken sollen, vielleicht hätte es dann geklappt mit ihr. Das Lachen überfiel ihn. Ines schaute ihn erstaunt an, sagte aber nichts. Und dann kam der Zorn. Soll Anne doch sehen, wo sie bleibt. Warum mussten die Männer den ersten Schritt tun, immer noch trotz allen Geredes über die Emanzipation? Warum er? Und warum ließ sie sich von einem anderen ein Kind machen? Für Stachelmann war es ein Vertrauensbruch, eine Rache für etwas, das Anne als sein Versagen empfinden mochte, oder als was auch immer. Er erinnerte sich vorwurfsvoller Blicke, aber nie hatte sie ein Wort gesagt. Vielleicht hatte sie hin und wieder etwas angedeutet durch Ironie und schnippische Bemerkungen. Warum konnte sie nicht Klartext reden, wenn sie nicht zufrieden war?
    »Was überlegst du?«, fragte Ines. »Bist du böse?«
    Natürlich war er böse. »Nein, es ist kalt.«
    »Wir sind gleich da.«
    »Und dein Mann?«
    »Der kommt erst morgen Abend wieder. Keine Sorge. Er hat bestimmt eine Verehrerin in Berlin.«
    »Moderne Ehe«, sagte Stachelmann.
    »Alte Ehe«, sagte Ines.
    Dann standen sie vor der Tür eines modernen Mehrfamilienhauses. Ines schloss auf und nahm Stachelmann an der Hand. Sie legte einen Finger auf den Mund. »Psst, die Nachbarn müssen nicht alles wissen.« Sie führte ihn die Treppe hinauf in den ersten Stock. Sie öffnete die Wohnungstür, es roch nach frischer Farbe. Als sie die Tür geschlossen hatte, zog sie ihren Mantel aus. Stachelmann hängte seinen Mantel ebenfalls an die Garderobe. Sie schaltete eine Stehlampe ein, die warf ein weiches Licht ins Wohnzimmer, das abzweigte von der Diele. Sie ging ein Stück ins Wohnzimmer, Stachelmann folgte ihr, dann drehte sie sich um und blieb stehen. Das Licht zeichnete ihre Figur nach. Stachelmann ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Er küsste sie, erst vorsichtig, dann mit dem Mut, den er sich angetrunken hatte und den ihm die Erregung verlieh. Er knöpfte ihr die Bluse auf. Er hatte lange nicht mit einer Frau geschlafen und noch nie mit einer, die alle seine Wünsche kannte.
    In der Nacht lag er lange wach. Ines schlief mit ruhigen Atemzügen. Ab und zu brabbelte sie etwas Unverständliches. Er wälzte sich, ohne die Schmerzen im
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